„Ökologie der Kindheit“ heißt ein Kongress, der am 25. November in Mauerbach bei Wien stattfinden wird
Sein Organisator André Stern genoss das Privileg, nie zur Schule gehen zu müssen. Er ist ein Hoffnungsträger für alle Menschen, die sich nicht länger einreden lassen wollen, die Natur des Kindes müsse nach vorgegebenen Regeln künstlich optimiert werden, damit aus dem Kind ein lebensfähiger Erwachsener wird.
ALLE DETAILS ZUM KONGRESS VON ANDRE STERN
Ich sehe diese hoffnungsfrohen Menschen als Erben und potentielle Vollender der Naturschutzbewegung, die mit der Kritik an der industriellen Land- und Forstwirtschaft begann. Rufer in der Wüste hatte es vereinzelt schon viel früher gegeben, doch erst in den 1970er Jahren schlossen sie sich zu politisch aktiven Gruppierungen zusammen. Diese „Ökofreaks“, wie sie oft abschätzig genannt wurden, kamen aus allen Schichten der Bevölkerung. Was sie einte, war der Widerstand gegen die hemmungslose Ausbeutung der Natur im Namen eines angeblich unaufhaltsamen Fortschritts. Die Optimierung der äußeren Natur durch Monokultur, Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik hatte einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten. Den Großkonzernen, die sie vorantrieben, war es gelungen, die Politik für ihre Geschäftsinteressen einzuspannen: Mit der Behauptung, dass die rasant wachsende Weltbevölkerung nicht anders ernährt werden könne, brachten sie nicht nur Opportunisten, sondern auch Idealisten auf ihre Seite.
Warnende Stimmen gab es anfangs nur in Öko-Blättchen mit winziger Auflage. Heute bombardieren uns alle Medien tagtäglich mit Horrormeldungen über den hohen Preis, den die an Goethes „Zauberlehrling“ gemahnenden Optimierungsmaßnahmen der Konzerne fordern: Unfruchtbare Böden, verseuchte Meere, Ausweitung der Wüstengebiete, steigende Wasserspiegel an den Küsten, ein galoppierendes Artensterben, hoffnungslos verschuldete Staaten, die schwindelerregende Zunahme von Zivilisationskrankheiten und psychischen Störungen aller Art…
Trotzdem sind viele, auch hoch gebildete Zeitgenossen nach wie vor überzeugt, der industrielle Fortschritt samt all seinen Begleiterscheinungen sei „alternativlos“. Woran kann das liegen? Könnte es sein, dass eben jene Bildung, die ihr Denken geformt hat, dafür verantwortlich ist? Eine Bildung, die es ihnen schwer macht, Gesamtzusammenhänge zu erkennen, weil sie das Wissen der Menschheit in säuberlich getrennte Fächer aufteilt? Eine Bildung nach weltweit standardisierten Lehrplänen, die soziale Monokulturen hervorbringt und so die natürliche Diversität verdrängt? Eine Bildung nach Unterrichtsprinzipien, die Konkurrenzdenken und hierarchisch gegliederte Ordnungssysteme im Bewusstsein der Schüler fest verankern? Eine Bildung, deren Abschlusszeugnisse in erster Linie Anpassungsleistungen honorieren und die notwendige Voraussetzung für ein Berufsleben sind, in dem es ebenfalls darum geht, den Erwartungen anderer bestmöglich zu entsprechen?
Was jemand von Kindesbeinen an gelernt hat, das wird ihm zur „zweiten Natur“, wie es so schön heißt: Und diese zweite Natur steht leider auf Kriegsfuß mit der ersten Natur!
Auf die Frage, was sie dazu ermutigt hat, die scheinbar allmächtige zweite Natur in Frage zu stellen und sich an ihre erste Natur zu erinnern, wird jeder einzelne Naturschützer seine ganz persönliche Geschichte erzählen:
Vom Garten der Großeltern, einem kleinen Paradies, wo es zwischen Obstbäumen und Gemüsebeeten noch eine spannende Vielfalt an Insekten, Vogelnestern, Fledermäusen und Eidechsen zu entdecken gab.
Von einem unscheinbaren Wildkraut, das einem nahen Freund das Leben gerettet hat.
Von dem heiß geliebten zahmen Kaninchen in der engen Stadtwohnung, dem man als Kind alle Geheimnisse und Kümmernisse anvertrauen konnte, weil es mit und ohne Worte alles verstand.
Von einer Reise zu indigenen Menschen, die noch im Einklang mit der umgebenden Natur lebten und rundum glücklich waren, obwohl sie nach westlichen Maßstäben in bitterer Armut lebten.
Es ist die Erinnerung an ihr eigenes INNERES KIND, an ihre eigene INNERE NATUR, die Naturschützer dazu beflügelt, die ÄUSSERE NATUR in ihrer ganzen Schönheit und Ursprünglichkeit bewahren zu wollen. Damit ihre Bemühungen nachhaltige Früchte tragen können, statt unter dem Druck der Verhältnisse allmählich immer mehr zu erlahmen, ist meiner Überzeugung nach ein zweiter Schritt nötig: Die Entscheidung dafür, die INNERE NATUR der KINDER von Anfang an möglichst unversehrt zu erhalten! Ich bin sicher, dass eine Vereinigung dieser beiden Bewegungen, der Naturschützer und der Freilerner, den Bann brechen wird, unter dem wir schon seit so langer Zeit stehen: Den Wahn, wir könnten, ja müssten die Natur verbessern, um das Überleben der Menschheit zu sichern! Von dieser fixen Idee werden wir uns nämlich erst dann endgültig befreien können, wenn wir uns des unerschöpflichen Reichtums in unserem eigenen Inneren bewusst werden…
Manchen Erwachsenen, die schon erste Schritte in diese Richtung gegangen sind, fällt es wie Schuppen von den Augen, wenn sie selbst Eltern werden – besonders dann, wenn sie das Wunder der natürlichen Geburt miterleben durften. Sie verlieren plötzlich jeglichen Ehrgeiz, besser, schneller oder erfolgreicher als irgend jemand anderer sein zu wollen. Sie haben keine Lust mehr, andere Menschen zu bewerten oder für ihr eigenes Befinden verantwortlich zu machen. Ihre Existenzängste machen schrittweise einem kindlichen Vertrauen in das Leben Platz. Das schmerzliche Gefühl der Getrenntheit, von dem das „normale“ Erwachsenwerden begleitet wird, weicht mehr und mehr einer zutiefst beglückenden inneren Gewissheit, in Wahrheit immer und überall mit allen Lebewesen verbunden zu sein.
Und dann wird ihnen auf einmal klar, dass sie sich nach diesem paradiesischen Zustand gesehnt haben, weil sie ihn so gut kennen: aus der Zeit, als sie selbst kleine Kinder waren! Erwachsenen, die diesen Bewusstseinszustand erreicht haben, wird es nicht mehr einfallen, kleine Kinder als verbesserungsbedürftig zu betrachten und ihre angeborenen Fähigkeiten künstlich optimieren zu wollen! Als Eltern werden sie den ihnen anvertrauten Kindern vom ersten Moment an mit respektvoller Liebe begegnen und aus dieser Haltung heraus in ihnen bald ihre größten Lehrmeister erkennen. Dankbar werden sie sich damit begnügen, die unermesslichen natürlichen Gaben der Kinder möglichst ungestört zur Entfaltung kommen zu lassen und mit ihnen gemeinsam weiterzuwachsen…
In Vorfreude auf den Ökologie der Kindheit-Kongress und das baldige Erscheinen unseres Buches LERNEN IST WIE ATMEN, das wir dort vorstellen wollen, grüße ich euch herzlich und hoffnungsfroh!
INFORMATIONEN ZUM BUCH “LERNEN IST WIE ATMEN”