Die Blackout-Vorsorge wird in vielen Bereichen noch immer auf die Zeit des Stromausfalls reduziert, was deutlich zu kurz greift.
Ein überregionaler Stromausfall würde sofort alle Produktions- und Logistikbereiche betreffen und langwierige Wiederanlaufprobleme verursachen, was häufig unterschätzt wird. Auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen, insbesondere die Lebensmittelversorgung, wäre in besonderem Maße betroffen. Hier einige Erfahrungen aus der Blackout-Vorsorgearbeit mit der Lebensmittelwirtschaft.
Wie wird die Versorgung sichergestellt?
Auch die österreichische Lebensmittelwirtschaft beschäftigt sich mittlerweile mit den möglichen Folgen eines überregionalen und länger andauernden Stromausfalls („Blackout“) bzw. einer möglichen Strommangellage. In immer mehr Betrieben werden Blackout-Vorsorgepläne ausgearbeitet. Ein häufig anzutreffender Tenor: „Vor einigen Monaten hätte uns das noch ziemlich kalt erwischt. Jetzt sind wir organisatorisch gut aufgestellt und die Mitarbeiter wissen, was zu tun ist. In ein paar Monaten werden wir auch noch die notwendige technische Ausstattung haben, um ein solches Ereignis noch besser bewältigen zu können“. Aber auch: „Wir sind froh, dass wir diese Pläne nun haben. Wir hoffen aber trotzdem, dass wir sie nie einsetzen müssen.“
Die bisherigen Blackout-Vorsorgemaßnahmen haben sich auch bei lokalen Stromausfällen bereits mehrfach bewährt. In vielen Betrieben ist man sich auch einig, dass man jetzt selbst recht gut aufgestellt ist und weiß, wie man Schäden vermeiden und sicher herunterfahren kann bzw. mit welchen Schwierigkeiten beim Wiederanfahren zu rechnen ist. Eine vorbereitete Notreinigung reduziert mögliche Hygieneprobleme und ermöglicht einen schnelleren Wiederanlauf. Das, was alle etwas ratlos zurücklässt, ist die Erfahrung mit Kunden, Lieferanten, Logistikpartnern oder Behörden, wo man bisher oft nur wenig Vorbereitung und Auseinandersetzung festgestellt hat. Bis hin zur Verweigerung der behördlichen Genehmigung für den Einbau von Notstromaggregaten.
Behörden müssen Klarheit schaffen
Ein großes Problem ist nach wie vor die Unsicherheit, wie lange es dauern könnte, bis ein großflächiger Stromausfall von offizieller Seite bestätigt und der Öffentlichkeit mitgeteilt wird. Dabei zählt jede Minute, um unnötige Schäden abwenden zu können. Es ist daher dringend erforderlich, dass auch vonseiten der Behörden Klarheit geschaffen wird und eine zeitnahe Information der Öffentlichkeit erfolgt. Unnötige Verzögerungen und Schäden würden sich in jedem Fall negativ auf die Wiederanlaufzeiten bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern auswirken.
Auch die Frage, wie ein schneller und geordneter Wiederanlauf gelingen kann, wenn in der Krise erst einmal alles koordiniert werden muss, beschäftigt viele. Denn der zu erwartende extrem hohe Kommunikations- und Koordinationsaufwand wird nach einem solchen Ereignis ohne entsprechende Vorbereitungen und Abstimmungen kaum in angemessener Zeit zu bewältigen sein. Umso wichtiger sind jetzt Abstimmungen und möglichst einfache Ablaufpläne. Denn in einer solchen schweren Krise zählt nur das Einfache.
Mitarbeiter sensibilisieren und einbinden
Hier ist noch viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit erforderlich, denn eine Kette ist bekanntlich nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Beim Thema Blackout-Vorsorge geht es daher nicht darum, ob Einzelne gut aufgestellt und vorbereitet sind, sondern ob die breite Masse einen Beitrag leisten kann. Hier gibt es noch erhebliche Lücken, die meist bei der persönlichen Vorsorge der Mitarbeiter beginnen. Wenn diese nicht ausreichend vorgesorgt haben, ist jeder Plan hinfällig. Denn wenn die Mitarbeiter zu Hause ein Problem haben, stehen sie dem Krisenmanagement des Unternehmens nicht lange oder nicht rasch genug wieder zur Verfügung. Daher betrifft ein zentraler Teil der Blackout-Vorsorge die Mitarbeiter-Sensibilisierung und Aufforderung zur Eigenvorsorge, welche die wesentliche Basis für alle anderen Maßnahmen ist.
Entsprechende individuelle Blackout-Vorsorgekonzepte erfordern zudem engagierte Projektmitarbeiter und die notwendigen zeitlichen Ressourcen, um eine zügige Bearbeitung und Fertigstellung zu gewährleisten. Aber auch die aktive Einbindung der Mitarbeiter ist unerlässlich. Die Prozesse müssen einfach gehalten werden und in den Köpfen der Mitarbeiter präsent sein. Ziel sollte es sein, nach der Bestätigung eines großflächigen Stromausfalls den Betrieb möglichst rasch und geordnet herunterzufahren und zu beenden, denn ein Weiterbetrieb ist nirgendwo möglich.
Was passiert mit Lebensmittelabfällen?
Was tun, wenn der Kühlschrank nicht funktioniert?
Logistik gut durchdenken
Können diese Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht schnell ein zusätzliches Chaos, das den Wiederanlauf erheblich verzögern würde. Leider ist dieser Bereich aufgrund der vielfältigen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten noch schwer zu durchschauen und anzusprechen. Aber ohne Logistik wird ein schneller Wiederanlauf nicht gelingen. Und dazu gehört auch die Treibstoffversorgung, die nach dem Stromausfall absehbar rationiert werden muss, bis die Treibstofflogistik wieder ausreichend funktioniert. Auch hier können mit einer fundierten Blackout-Vorsorge häufig Synergien mit anderen Unternehmen gefunden werden und nicht jeder muss das Rad neu erfinden. Wichtig wäre, dass beladene Kühlfahrzeuge möglichst lange kühlen können, damit die Ware oder Rohstoffe nicht verderben. Kühlhäuser und -lager werden in der Regel sofort verschlossen, um die Kälte möglichst lange erhalten zu können. Daher ist die Versorgung der Kühl-LKW mit Treibstoff ein wichtiger Punkt, auch wenn dies vielleicht nicht in der direkten Verantwortung des zu Beliefernden liegt. Denn bei der Blackout-Vorsorge geht es nicht nur um die Vermeidung eigener Schäden, sondern auch um die Vermeidung übergeordneter gesellschaftlicher Schäden.
Der Wiederanlauf wird durch den enormen Koordinationsaufwand erschwert: Wie lange dauert es nach einem Stromausfall, bis die Telekommunikation wieder funktioniert? Welche Schäden gibt es in der Produktion, an Produkten etc. Welche Probleme haben die Kunden? Welche Waren können diese überhaupt annehmen? Welchen Bedarf erwarten diese? Welche Probleme sind in der (überregionalen) Logistik zu erwarten? Welche Ersatzmaßnahmen sind möglich? Welche Lagerkapazitäten sind vorhanden? Wer muss zuerst beginnen, damit die ganze Kette wieder synchronisiert werden kann? Wie kann die Verrechnung und Abrechnung erfolgen? Und vieles mehr.
Ein großes Thema sind auch kühlpflichtige Waren und Rohstoffe. Was passiert, wenn die üblichen Kühlketten mit sehr hohen Qualitätsanforderungen und -vorgaben nicht eingehalten werden können? Wo ist die Grenze zwischen einer leichtfertigen Entsorgung bei gleichzeitig zu erwartenden massiven Engpässen und wo riskiert man eine noch viel gefährlichere Gesundheitskrise? Auch hier gibt es kaum allgemeingültige Antworten. Umso wichtiger ist es, entsprechende Krisennormen vorzubereiten und festzulegen, um beiden Anforderungen bestmöglich gerecht zu werden. In der Krise wird dafür kaum Zeit bleiben, ganz abgesehen davon, dass die Kommunikation und Koordination sehr schwierig werden wird. Je klarer das im Vorfeld definiert wurde, desto schneller können entsprechende Rationierungen und Priorisierungen vorgenommen und wichtige Zeit gewonnen werden. Einen gewissen Anhalt dazu bietet der Erlass GZ 2023-0.273.265 vom 05.05.2023 des Gesundheitsministeriums
Plünderungen vorbeugen
Mit jedem Tag des Stillstands und der Nichtversorgung der Bevölkerung werden auch die Sicherheitsprobleme zunehmen. Die größte Gefahr besteht in der Zerstörung und Plünderung von Verkaufseinrichtungen oder gar Produktionsanlagen und Lagern. Dies würde den Wiederanlauf dramatisch verzögern. Ohne ausreichende Vorbereitung der Bevölkerung muss mit einer solchen Entwicklung früher oder später gerechnet werden. Das Risiko steigt mit jedem Tag Stillstand exponentiell an. Auch hier sind entsprechende Vorsorgemaßnahmen und die Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinden unerlässlich. Je besser die Vorsorge und je besser die Strukturen und Notfallmaßnahmen vorbereitet sind, desto länger können solche Verwerfungen hinausgezögert werden. Es ist naiv und blauäugig, sich darauf zu verlassen, dass es dann schon irgendjemand macht und im Griff hat.
Viele Betriebe haben Rohstoffe für mehrere Tage und teilweise auch länger vor Ort lagernd, um eine Notproduktion sicherstellen zu können. Was passiert jedoch, wenn, wie zu erwarten, die Nachlieferungen nicht schnell genug oder nicht im notwendigen Umfang erfolgen können, vor allem, wenn die Ressourcen nicht aus der Region kommen? Dann wird es nach dem ersten Wiederanlaufen der Versorgung wahrscheinlich zu weiteren schwerwiegenden Versorgungslücken kommen. Umso wichtiger wäre es, dass vonseiten der Behörden bereits jetzt in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelwirtschaft entsprechende Rationierungsmaßnahmen vorbereitet werden, um im Bedarfsfall rasch handeln zu können. Es gibt zwar das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz, das eine solche Lenkung ermöglichen soll, aber eine konkrete Umsetzung erfordert auch entsprechende Vorbereitungen vor Ort, welche jetzt getroffen werden müssen.
Wie geht’s weiter, wenn der Strom wieder fließt?
Der Lebensmitteleinzelhandel hat sich zwar bereits auf ein
Notverfahren zur Abgabe verderblicher Waren geeinigt und dies auch öffentlich kommuniziert, aber wie so oft liegt der Hund im Detail begraben. Die viel schwerwiegendere Versorgungskrise beginnt jedoch erst, wenn der Strom bereits wieder fließt. Hier fehlt es oft noch an konkreten Überlegungen, die von allen Seiten angestoßen werden müssen.
So wird rasch klar, dass ein flächendeckender Wiederanlauf der Versorgung auch nach einem nur mehrstündigen überregionalen Stromausfall oder auch bloß im Zuge einer möglichen Strommangellage nicht funktionieren wird. Vielmehr könnte es Tage dauern, bis die Telekommunikationsversorgung oder Logistik- und Zahlungssysteme und die logistische Synchronisation wieder anlaufen können. Von einem Funktionsumfang, wie wir ihn im Alltag gewohnt sind und benötigen, sind wir dann noch weit entfernt. Umso wichtiger ist es, die vielschichtigen und überzogenen Erwartungen in der Bevölkerung, aber auch bei vielen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben oder Entscheidungsträgern, bis hin bei den Kunden ins rechte Licht zu rücken und Klarheit zu schaffen. Schönreden hilft niemanden und wird sich spätestens in der Krise als Bumerang erweisen. Während bei der Coronapandemie noch viele Ad-hoc-Verfahren möglich waren, wird dies bei einem möglichen Blackout nur schwer möglich sein. Denn während der Coronakrise haben zumindest die Telekommunikationsversorgung und die Logistik immer funktioniert. Zwei entscheidende Faktoren, die bei einem Blackout häufig unterschätzt werden.
Zum Abschluss
Eigenversorgung der Bürger entscheidend
Herzliche Grüße
Herbert Saurugg
Seit Jahren verbreite ich umfangreiche Analysen für den Fall eines Blackouts auf meiner Webseite.
Seit 2019 kooperiere ich auch mit GAIA. Neben Gastbeiträgen werden auch meine Newsletter bei Erscheinen hier für Interessierte veröffentlicht.