Unser Buch LERNEN IST WIE ATMEN ist da!
Gemeinsam mit zwei Freilernermüttern, Gudrun Totschnig und Sigrid Haubenberger, haben wir es nun doch im Selbstverlag herausgegeben. Andernfalls hätten wir noch mehr als ein Jahr zuwarten müssen, was wir nicht wollten, denn wir alle haben das Gefühl, dass die Zeit nun reif ist für diese vielstimmige Darstellung, wie Freilernen in der Praxis gelebt werden kann.
Zu bestellen ist es jetzt bereits über unsere Homepage, wo es auch nähere Informationen zu Buch und AutorInnen gibt, und so sieht es aus:
Beim Kongress ÖKOLOGIE DER KINDHEIT – einer großartig organisierten Veranstaltung im Schlosspark-Hotel Mauerbach, bei der Arno Stern, der Naturholz-Pionier Erwin Thoma und André Stern die etwa 300 Zuhörer in Begeisterung versetzten – haben wir das Buch erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert und inzwischen auch schon sehr berührende Rückmeldungen erhalten!
Wir haben bereits die grdunsätzliche Zusage, das Buch auch über den GAIA Onlineshop zu verbreiten. In Kürze – noch im Dezember – werden wir die genauen Modalitäten klären.
Am 21.11. habe ich mich mit Stadschulratspräsident Heinrich Himmer getroffen und ihm unser druckfrisches Buch mitgebracht.
Mag. Himmer, der erst kürzlich Vater einer kleinen Tochter geworden ist, war sehr freundlich und hat, ebenso wie sein Mediensprecher Matias Meissner, aufmerksam zugehört. Entscheidungen sind bisher noch keine gefallen, aber ich möchte euch die erweiterte Zusammenfassung des Gesprächs schicken, die ich den beiden Herren am nächsten Tag geschickt habe.
Über Rückmeldungen oder Kommentare zu dem Vorschlag, eine WERTSCHÄTZUNGSKOMMISSION einzurichten. würde ich mich übrigens sehr freuen!
Lieber Herr Mag. Himmer,
lieber Herr Meissner,Ich bedanke mich noch einmal herzlich für die Zeit und die Aufmerksamkeit, die Sie den Anliegen der Freilerner gestern gewidmet haben! Nähere Informationen über das Netzwerk der Freilerner finden Sie unter www.freilerner.at.
Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Argumente für eine LEGALISIERUNG VON UNSCHOOLING in Wien und bald hoffentlich in ganz Österreich kurz zusammenfassen und um jene Punkte ergänzen, die gestern nicht zur Sprache gekommen sind oder die ich so emotional hervorgesprudelt habe, dass sie schwer zu erfassen waren :-)
1) Im Grunde geht es um weit mehr als informelles Lernen und die kleine Schar der Freilerner: Es geht um eine allgemeine Umkehr der Weltsicht – weg von der Fixierung auf Mängel und Probleme, hin zur Entdeckung und Nutzung vorhandener Fähigkeiten und Ressourcen („Vom kritischen zum konstruktiven Denken“). Hochtrabend ausgedrückt: um einen PARADIGMENWECHSEL, dessen Tragweite wir noch gar nicht abschätzen können.
2) Es gibt Länder, in denen Freilernen als selbstverständliches demokratisches Recht angesehen wird, z.B. Großbritannien (Übersetzung der Guidelines for Elective Home Education). Staatliche Maßnahmen zum Schutz von Kindern, die zu Hause verwahrlosen würden, gibt es dort natürlich auch, aber man geht nicht davon aus, dass jedes unbeschulte Kind von Vater Staat „gerettet werden muss“…!
3) Im Bewusstsein der meisten Österreicher sind Bildung und Schulbildung jedoch deckungsgleiche Begriffe. Darauf beruht die tief verwurzelte Angst, Kinder, die nicht zur Schule gehen, würden a) nichts lernen und hätten b) keine Sozialkontakte.
4) Dieses hartnäckige Vorurteil lässt sich nur durch konkrete Beweise widerlegen: Es müssen also die unbewiesenen Annahmen, auf denen die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen beruhen (Lernen kann nur nach Lehrplan erfolgen) durch eine Faktenerhebung ersetzt werden. Dazu bedarf es einer Freigabe des Unschooling und einer wissenschaftlich fundierten teilnehmenden Beobachtung der tatsächlichen Entwicklungsverläufe frei lernender Kinder.
Bis auf weiteres ist im übrigen nicht damit zu rechnen, dass sich viel mehr Eltern für diesen Weg entscheiden, sobald die juristischen Hürden wegfallen, denn leider fühlen sich nur wenige Ausnahme-Erwachsene dazu berufen. Steigen könnte allerdings die Anzahl jener Eltern, die sich aus Not zum Freilernen entschließen müssen, weil ihre hoch sensiblen Kinder dem normalen Schulalltag psychisch nicht gewachsen sind.5) Mein Vorschlag: Als wissenschaftliches Pilotprojekt setzt der Wiener SSR Verwaltungsstrafen und Jahresprüfungen ganz aus und ersetzt sie durch eine WERTSCHÄTZUNGSKOMMISSION, vor der frei lernende Kinder (bedenkenswerte Ergänzung einer Freilernermutter: auch alle Schulverweigerer und Schulabbrecher!) präsentieren können, was sie an Projekten gemacht haben und wofür sie sich interessieren.
Gerade die Gemeinde Wien bietet mit ihrem großartigen Angebot an leistbaren Kursen, VHS, Museumsführungen und öffentlichen Einrichtungen aller Art ideale Voraussetzungen für informelles Lernen!6) Die ERGEBNISSE EINER SOLCHEN WERTSCHÄTZENDEN BEOBACHTUNG werden zeigen, was alle, die sich schon länger mit dem Thema befassen, beobachten konnten (siehe dazu das Buch des Psychologen Peter Gray BEFREIT LERNEN und die Studien von Alan Thomas):
– Ganzheitliche Lernprozesse vollziehen sich vollkommen individuell und sind daher weder planbar noch vergleichbar. Auch die Dauer der Entwicklung vom Kleinkind zum selbstständigen jungen Erwachsenen ist sehr unterschiedlich.
– Kinder bringen einzigartige Gaben und Talente mit, die alle schulischen Lehrpläne sprengen. Ein Kind, das sich natürlich entfalten darf, bewegt sich, unbeirrt seinen eigenen Interessen folgend, automatisch in Richtung seiner noch unbekannten Zukunft. Die herkömmliche Bildung dagegen legt Standards fest, indem sie Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert – was logischer Weise umso schlechter funktioniert, je rascher die Welt sich verändert…!
– Kinder, deren WAHRE BEDÜRFNISSE nach Nähe und Geborgenheit auf der einen, Freiheit und Selbstbestimmung auf der anderen Seite tagtäglich erfüllt werden, bleiben dadurch weitgehend UNABHÄNGIG VON ERSATZBEFRIEDIGUNGEN wie Junkfood, Smartphones, Computerspielen, Wegwerfspielzeug, Modeartikeln oder Statussymbolen! Beobachter sind immer wieder erstaunt, wie zufrieden und bescheiden frei lernende Kinder sind, denn unter „normalen“= durch die Konsumgesellschaft normierten Kindern findet man so etwas kaum noch…
(Es wäre ein gefährlicher Irrtum zu glauben, dass unsere Schulbildung objektiv und wertfrei ist! Sie erfüllt und transportiert die Normen und Werte der derzeitigen, auf Hierarchie und Konkurrenz basierenden sozioökonomischen Herrschaftsordnung, der wir unbestreitbare materielle Fortschritte verdanken. Unser wissenschaftlich-technischer Fortschritt stößt gegenwärtig allerdings an eine natürliche Grenze, weil er auf Kosten der äußeren Natur wie auch der inneren Natur des Menschen erzielt wurde. Kinder unter 10 Jahren haben das übrigens, wie Studien von Erich Fromm u.a. Psychologen zeigten, schon in den 1960er Jahren deutlich gespürt: Mehr Sorgen als ihre persönlichen Probleme oder die Angst vor einer Trennung ihrer Eltern bereiteten den befragten Kindern damals schon das Waldsterben, das Leid der Tiere in der Massentierhaltung und die Atombombe!)
– Die persönlichen Beziehungen von Freilernerkindern – zu Familienmitgliedern und selbst gewählten Freunden jeglichen Alters – sind letzlich enger und tragfähiger als die Beziehungen unter Gleichaltrigen in einer Schulklasse: Kinder, die sich ihre Spielkameraden selbst aussuchen und ihre Spiele selbst gestalten dürfen, entwickeln ein sehr feines und differenziertes Sozialverhalten. (DIe Form der Zwangskameradschaft, wie man sie in einer Schulklasse einüben muss, taugt später eigentlich nur für Wehrdienst oder Klassentreffen, denn überall sonst haben wir es im späteren Leben zum Glück doch mit Menschen verschiedenster Jahrgänge zu tun :-))
– FREILERNEN IST KEINE METHODE! Es nimmt in jeder Familie oder Gemeinschaft (wie z.B. dem Wiener Colearning Space) eine andere Gestalt an und wandelt sich ständig mit allen darin involvierten Personen mit. Und es setzt voraus, dass auf Vergleiche und Bewertungen prinzipiell verzichtet wird: Daher mein Vorschlag einer WERTSCHÄTZUNGSKOMMISSION!
7) Das Wesentliche am Freilernen ist der Perspektivenwechsel: Echtes Freilernen geht immer VOM KIND AUS! Und Kinder sind, im Unterschied zu den meisten Erwachsenen, NICHT ERGEBNISORIENTIERT: Sie wollen SPIELERISCH DIE WELT ERKUNDEN, denn ihnen geht es um ERFAHRUNGEN, nicht um Resultate! Daher sollte man sich keine „Hochleistungen“ von frei lernenden Kindern erwarten… Durch selbstbestimmtes Lernen erwerben sie dafür Sozial- und Selbstkompetenz, ein gesundes Selbstbewusstsein und ein Gespür für die eigenen Fähigkeiten und Grenzen, was sie später vielleicht zu außerordentlichen Leistungen befähigen wird.
8) Die derzeitigen Jahresprüfungen orientieren sich an dem „Bulimie-Lernen“, wie es in der Schule leider immer noch praktiziert wird. Dabei hat die moderne Forschung längst bewiesen, dass Lernen unter Druck, Angst und Stress die neuronalen Verbindungen zum Langzeitgedächtnis blockiert. Deshalb wird eingepauktes Schulwissen schon bald nach der Prüfung aus dem Kurzzeitgedächtnis wieder entsorgt (wie ich an meinen Söhnen bereits wenige Wochen nach der Matura beobachten konnte… Wozu dient diese Übung???) FREILERNEN dagen ist NACHHALTIGES LERNEN – frei lernende Kinder wissen sicher Vieles nicht, was auf dem Lehrplan steht, aber ihr freiwillig, ja begeistert erworbenes Erfahrungswissen bleibt in ihrem Langzeitgedächtnis fest verankert!
9) In Schulprospekten, pädagogischen Fachbüchern und Erziehungsratgebern ist immer öfter die Forderung nach INDIVIDUALISIERUNG, POTENZIALENTFALTUNG, KREATIVITÄT, SELBSTBESTIIMMUNG etc. zu finden. Die Freilerner, die all diese Dinge in der PRAXIS leben, könnten Laien und Experten, die sich diesen Ideen schon geöffnet haben, inspirieren und weiterbringen!
10) Die Erkenntnis, dass es UNNÖTIG, BESCHÄMEND UND BARBARISCH ist, in die natürliche Entwicklung heranwachsender Kinder einzugreifen, ihnen je nach Alter bestimmte Entwicklungsfortschritte vorzuschreiben und sie dann danach zu bewerten und zu benoten, wie „brav“ sie diese vollziehen – diese Erkenntnis wird über kurz oder lang hoffentlich JEDEM KIND zugute kommen und das gesamte Bildungssystem grundlegend verändern!
Mit Prof. Garnitschnig habe ich gleich nach unserem Gespräch telefoniert – er wäre begeistert über die Einrichtung einer solchen WERTSCHÄTZUNGSKOMMISSION und würde bereitwillig mitmachen. Auch Ingrid Teufel steht diesem Vorschlag sehr positiv gegenüber, Näheres werden wir morgen beim Jour fixe von Jedes Kind besprechen. Elke Poterpin, Günter Lueger, Gerhard Spitzer, Thomas Mohrs und andere, die mir noch einfallen oder von Freunden genannt werden, werde ich in den nächsten Tagen oder Wochen kontaktieren. Ich wäre natürlich glücklich, wenn Sie selbst, lieber Mag. Himmer, interessierte Wissenschaftler für diesen Plan gewinnen könnten! Wie er in der Praxis umzusetzen ist, müssten sich alle daran beteiligten Personen – Auftraggeber, Wertschätzende und Wertgeschätzte – von Fall zu Fall untereinander ausmachen…
Mit freundlichen Grüßen
Alexandra Terzic-Auer
0650 28 10 522P.S. Soeben hat mich wieder eine verzweifelte Mutter angerufen, die heute zum x-ten Mal eine Geldstrafe erhalten hat und zusätzlich noch die Aufforderung des Wiener SSRs, sie müsse ihre frei lernende Tochter ab nächster Woche zur Schule bringen, weil das Kind keine Jahresprüfung gemacht hat. Zufällig handelt es sich um das Mädchen mit den Tauben, von dem ich Ihnen gestern erzählt habe: Sie heißt Elena und ist am 11.11.2007 geboren :-))
Bisher haben wir es immer vermieden, die Presse einzuschalten, um die Chance auf kooperative Lösungen mit den Behördenvertretern nicht zu gefährden. Allmählich geht uns aber wirklich die Puste aus… BITTE BEENDEN SIE DIESEN UNWÜRDIGEN ZUSTAND SO BALD WIE IRGEND MÖGLICH!
Wenn wir noch irgend etwas dazu beitragen können, rufen Sie bitte an oder senden Sie mir ein Mail.
Demnächst möchte ich einen kurzen Rückblick über das Jahr 2017 zusammenstellen, in dem sich so viel getan hat…
Eine friedliche Vorweihnachtszeit wünschen euch von Herzen Alexandra und Sibylle