Daniel Häni ist der Hauptorganisator der Schweizer Volksabstimmung über das BGE.
Sein Film „BGE – ein Kulturimpuls“ hat mir bewusst gemacht, dass unsere Anliegen eng miteinander verwandt sind: Das freie Lernen könnte man ebenso gut als bedingungsloses Lernen bezeichnen. Im Januar habe ich ihm meine Überlegungen dazu geschrieben, neun Monate später darf ich sie nun beim Grundeinkommenskongress in Kärnten vom 19.-21.09.2018 öffentlich zur Diskussion stellen. Für Kommentare wäre ich sehr dankbar!
Lieber Daniel Häni,
zu allererst ein ganz großes DANKE für Ihren gesellschaftspolitischen Einsatz und Ihren wunderbaren Film “BGE – ein Kulturimpuls“!
So tiefgründig und leidenschaftlich, wie Sie sich mit dem Grundeinkommen beschäftigen, befasse ich mich mit dem LERNEN. Dessen nach meiner Erfahrung einzig menschenwürdige Form habe ich bisher als selbstbestimmtes Lernen oder FREILERNEN bezeichnet, doch nun scheint mir, dass die Bezeichnung bedingungsloses Lernen angemessener und auch strategisch günstiger wäre, weil sie die innere Verwandtschaft zum BGE hervorhebt: Beide Anliegen entspringen aus meiner Sicht demselben Geist, „liegen in der Luft“ und könnten einander auch äußerst wirksam befördern! Diese und ähnliche Gedanken kamen mir beim Anschauen einiger Beiträge von oder mit Ihnen auf Youtube :-)
So wundert es mich zum Beispiel nicht, dass Sie in den USA – wie wahrscheinlich in anderen angelsächsischen Ländern auch – auf weniger prinzipielle Widerstände gegen die Idee eines BGE gestoßen sind: In vielen US-Bundesstaaten, Kanada, Australien und Großbritannien steht es Eltern frei, ihre Kinder in eine öffentliche, eine private oder gar keine Schule zu schicken. Dieses Recht wird bedingungslos gewährt – das heißt, der Staat verlangt nicht, dass so genannte Unschooler sich an Lehrpläne halten und Prüfungen darüber ablegen müssen. Um Fehlinterpretationen übereifriger Beamter auszuschließen, hat das britische Bildunsgsministerium sogar eine eigene Broschüre zum Schutz des Bürgerrechts auf außerschulische Bildung veröffentlicht.
Die Deutschen dagegen haben als einzige seit 1938 eine rigorose Schulanwesenheitspflicht – genau genommen werden deutsche Kinder also als Untertanen um nicht zu sagen Leibeigene des Staates betrachtet und erzogen! In Österreich und anderen europäischen Ländern, meines Wissens auch in der Schweiz, gibt es eine Unterrichtspflicht, die durch Jahresprüfungen über den Schulstoff zu belegen ist: Für Menschen, die in Kindergärten und Schulen sozialisiert wurden, klingt das vernünftig. Sie können sich nicht vorstellen, dass ein Kind auch ohne Zwang und Druck etwas lernt, obwohl die Gehirnforschung längst bewiesen hat, dass Lernen im eigentlichen Sinn unter Druck gar nicht funktionieren KANN, während Lernen OHNE Druck gar nicht aufzuhalten ist :-)
Die Frage: „Würdest du aufhören zu lernen, wenn du keine Zeugnisse mehr brauchst?“ würde wahrscheinlich ganz ähnliche Reaktionen auslösen wie die Frage: „Würdest du aufhören zu arbeiten, wenn du kein Arbeitseinkommen mehr brauchst?“ – die meisten Befragten wären überzeugt, dass der Großteil der Kinder dann nur noch Unsinn treiben würde… Dabei ist es in Wahrheit genau umgekehrt: Jedes Kind entfaltet ungeahnte Potentiale, sobald es das tun darf, was es selbst als SINNVOLL empfindet!! Und als sinnvoll empfindet jeder junge Mensch genau das, was auf seinem eigenen inneren Entwicklungsplan steht (der nur in den seltensten Fällen mit dem schulischen Lehrplan übereinstimmt)…
Kinder sind jedoch abhängig von ihren Erziehungsberechtigten. So gut wie alle heutigen Erwachsenen wurden vom Schulsystem nachhaltig geprägt – sie halten es für „normal“, eigene Fragen und Impulse zu unterdrücken, um den Forderungen anderer zu entsprechen. Wettbewerb und Konkurrenzdenken sind ihnen zur „zweiten Natur“ geworden. Ein Leben ohne ständige Vergleiche, Bewertungen und Urteile ist für die meisten von ihnen gar nicht vorstellbar.
Nur wenige besonders wache und achtsame Eltern konnten dem gesellschaftlichen Druck erfolgreich widerstehen und haben den Mut, trotz Anzeigen und Bußgeld den Freiraum ihrer Kinder zu verteidigen. Was dabei herauskommt, lässt sich exemplarisch an dem Musiker, Instrumentenbauer, Redakteur, Autor, Vortragenden und Vater André Stern beobachten. Sein Beispiel hat mich vor vielen Jahren dazu inspiriert, alle Reformversuche in Sachen Schule aufzugeben. Seither unterstütze ich Alternativen zum schulischen Lernen, indem ich mich für die Verbreitung und Legalisierung des bedingungslosen Lernens einsetze.
„Lernen ist wie Atmen“ lautet der Titel eines Buches, das 2 Freilernermütter mit mir gemeinsam herausgegeben haben, um aus verschiedensten Perspektiven die PRAXIS des Freilernens zu beleuchten und unmissverständlich klar zu machen, dass es sich dabei nicht um eine Methode handelt, sondern um eine veränderte HALTUNG GEGENÜBER DEM KIND – und damit dem MENSCHSEIN! Ich würde mich sehr freuen, wenn wir einen Weg finden, vielleicht irgendwie gemeinsame Sache zu machen. Weitere Informationen finden Sie unter www.freilerner.at und auf meiner Homepage www.schole.at
herzliche Grüße von Wien nach Basel
Alexandra Terzic-Auer
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