2019 war das “verflixte siebente Jahr” des Scholé-Projekts und so hat es sich oft auch angefühlt.
Manchmal sah es so aus, als wären die vielen Anstrengungen der letzten Jahre völlig umsonst gewesen: Freilerner mussten mehr und höhere Strafen zahlen als je zuvor. Unabhängige Lernprojekte gerieten aus inneren und äußeren Gründen ins Schleudern. Die Zahl der Prüfungsschulen für Homeschooler wurde willkürlich beschränkt und besonders freundliche Prüfer*Innen bekamen Schwierigkeiten mit ihren Vorgesetzten.
In der öffentlichen Diskussion ging es vorrangig um das Recht auf Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr, ein 2. verpflichtendes Kindergartenjahr, Ausbildungspflicht bis 18…
Könnte es sein, dass sich das alte System ein letztes Mal aufbäumt, bevor das Neue den Durchbruch schafft? Trotz allem hat das Jahr 2019 nämlich auch nennenswerte Fortschritte gebracht. Neue Bildungsinitiativen wurden gegründet, die aus den Fehlern ihrer Vorgänger von Anfang an viel lernen konnten. Es gab zahlreiche Gespräche mit Bildungsverantwortlichen, um ihnen Self Directed Learning als international anerkannte Bildungsform näher zu bringen. Eine Kognitionswissenschaftlerin, eine Verhaltensbiolologin, ein Jurist und ein Wirtschaftsinformatiker sprachen bei mehreren, teils sehr gut besuchten Informationsveranstaltungen über Freilernen aus der Perspektive ihres jeweiligen Fachgebiets. Als Mütter oder Väter selbstbestimmt lernender Kinder konnten alle 4 Referent*innen auch ihre praktischen Erfahrungen mit einbringen und die Fragen des Publikums aus erster Hand beantworten.
Das Projekt MEHRSTERN hat 2019 seinen 7. Geburtstag gefeiert. Manche der Sternchen sind nun schon mehr als ihr halbes Leben mit dabei! Die ganze Woche über freuen sie sich auf den Freitag Nachmittag, an dem Brigitte Kraft sie zum nächsten gemeinsamen Abenteuer einlädt.
Im Herbst habe ich gemeinsam mit Karin Schaffer eine INITIATIVE FÜR FREIE BILDUNGSWAHL gestartet, deren Homepage noch immer in Arbeit ist. Wir würden uns sehr freuen über engagierte Menschen, die mitmachen möchten!
Am 20.11.2019, dem 30. Geburtstag der UN-Kinderrechte, versandte der Verein der Freilerner Österreichs an sämtliche Bildungsbehörden sowie die Kinder- und Jugendanwaltschaften aller Bundesländer ein sorgfältig ausgearbeitetes Positionspapier. Es enthält pragmatische Vorschläge, wie durch eine “prozessorientierte Bildungsbegleitung” eine Alternative zu den derzeit vorgeschriebenen Externistenprüfungen geschaffen werden könnte. Manche Kinder im häuslichen Unterricht kommen mit den jährlichen Prüfungen ja gut zurecht. Es gibt aber auch Kinder, deren Bildungswege in ganz andere Richtungen führen: Auch das muss in einer Demokratie erlaubt sein und gehört angemessen gewürdigt! Eine am Fortschritt des individuellen Bildungsprozesses orientierte Begleitung selbst sich bildender Kinder würde den Verantwortlichen wichtige Einsichten über die Vielfalt möglicher Lernwege eröffnen. Darüber hinaus wäre sie ungleich besser geeignet, Fälle von Vernachlässigung oder Indoktrination rechtzeitig zu erkennen, als das Abprüfen des Schulstoffs einmal pro Jahr!
Um mit seiner ProBiB-Initiative Erfolg zu haben, braucht der Verein der Freilerner möglichst viele Unterschriften von BefürworterInnen: Wenn ihr auch der Meinung seid, dass es in Österreich eine Alternative zu den Externistenprüfungen geben soll, dann unterschreibt bitte die Unterstützungserklärung auf www.freilerner.at oder direkt hier und leitet sie an alle potentiellen InteressentInnen weiter, die ihr kennt!
Mein größter Wunsch für 2020 wäre, dass wir alle mutiger werden und uns endlich trauen, zu unseren Rechten und Bedürfnissen zu stehen! Wie viele Menschen bereit sind, auf ihre grundlegendsten Bedürfnisse – und die ihrer Kinder! – widerstandslos zu verzichten, habe ich immer wieder in Diskussionen mit Erwachsenen erlebt, die ich eigentlich als sehr vernünftig eingeschätzt hätte. Ich bemühte mich, ihnen darzulegen, dass Krisen und Abstürze logischer Weise vorprogrammiert sind, solange die natürlichen Bedürfnisse der Kinder weder von der Schule noch vom Elternhaus wirklich ernst genommen werden.
Diese Bedürfnisse sind vergleichbar mit den Stockwerken eines Hauses: Das Erdgeschoss entspricht in diesem Bild den körperlichen Bedürfnissen nach Sicherheit, sauberem Wasser, gesunder Ernährung, ungestörtem Schlaf und ausreichend Bewegung. Untrennbar damit verbunden ist das erste Stockwerk, bestehend aus dem seelischen Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Geborgenheit, Freiheit, Liebe und bedingungsloser Anerkennung. Wesentlich ist auch das Dach, das die geistigen Bedürfnisse repräsentiert, die individuelle Sinnsuche, der die intrinsische Motivation eines Menschen entspringt. Zwischen den ersten Stock und das Dach lassen sich zahlreiche Bildungs-Stockwerke einbauen. Solange jedoch die tragenden Fundamente brüchig sind und das Dach große Löcher aufweist oder gänzlich fehlt, ist natürlich ständig das gesamte Gebäude vom Einsturz bedroht…! Die ernüchternde Reaktion vieler meiner Gesprächspartner*innen lautete: “Ja, das stimmt schon. Aber es geht eben leider nicht anders!” Solange wir davon überzeugt sind, wird es genau so sein…
Bitte glaubt daran, dass es auch anders geht – steht zu euch selbst und euren Kindern! Dass 2020 diesbezüglich ein Wendejahr werden möge, wünscht sich, euch und allen Kindern von ganzem Herzen
Alexandra
P.S: Da sich Newsletter nicht gut weiterleiten lassen, hier ein Link, hinter welchem die Scholé News seit Längerem in Beitragsform bereitgestellt werden: http://gaia-energy.org/tag/schole/
Buchtipp – “Lernen ist wie Atmen”
Gemeinsam mit zwei Freilernermüttern, Gudrun Totschnig und Sigrid Haubenberger, haben wir es im Selbstverlag herausgegeben.
Wir alle haben das Gefühl, dass die Zeit reif ist für diese vielstimmige Darstellung, wie Freilernen in der Praxis gelebt werden kann. Lass Dich durch die Leseprobe inspirieren oder bestelle am GAIA Marktplatz Dein eigenes Exemplar mit 10% Preisvorteil für Mitglieder.