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Der Multiparadigmenwechsel wird erkennbar Teil X:

Der Multiparadigmenwechsel wird erkennbar – Teil X

In Zeiten überbordender öffentlicher und privater Verschuldung mag die Behauptung „Schulden existieren nicht“ unglaubwürdig, provokant, geradezu fantastisch anmuten. Doch um ein grundlegendes Umdenken zu bewirken ist Provokation oftmals das einzige Mittel, um Menschen aus der Lethargie des Alltags zu erwecken. Aus diesem Grunde widme ich diesen Newsletter genau dieser Behauptung, die ich nachfolgend auch erklären und, nach der Offenlegung der von mir benutzten Definitionen, auch wissenschaftlich zu begründen versuche.

Der Schuldbegriff besitzt religiöse bzw. moralische, juristische, ökonomische sowie psychologische Bedeutung. Wenden wir uns zu Beginn nun diesen verschiedenen Dimensionen zu.

Religiöse Definition von „Schuld“

Der religiöse Schuldbegriff wurzelt zumeist im Verstoß gegen bestimmte Verbote und ist damit dem Begriff der „Sünde“ eng verwandt. Während eine, weiter gefasste, moralische „Schuld“ auch vom Menschen vergeben werden kann, ist es zumeist nur Gott (als seinem Vertreter auch einem Priester) gegeben, Sünder von ihren Vergehen freizusprechen. Interessant ist hier, dass in bestimmten historischen Epochen die römisch-katholische Kirche auch einen „Ablass“ eingeführt hat, der es reichen Katholiken ermöglichte, ihre verstorbenen Verwandten – oder auch sich selbst – durch die Bezahlung eines Geldbetrages „von den Sünden frei zu kaufen“. Dieser Umstand war ein wesentlicher Auslöser für die Kritik von Martin Luther und letztlich auch für die Abspaltung der Protestanten, was dann wieder in der Gewalt des 30jährigen Krieges mündete. Da „Gott alles sieht“, entgeht ihm auch kein Vergehen eines Sünders, d.h. gläubige Katholiken durften (dürfen?) sich permanent in Sanktionsabsicht überwacht fühlen, und sollten daher auch flächendeckende Überwachung durch Kameras, Staatstrojaner evtl. sogar implementierte RFID-Chips bereitwillig akzeptieren. Diese totalitären Neuerungen stellen schließlich nur die moderne, technologische Variante des „alttestamentarischen, allsehenden, strafenden Gottes“ dar. Jeder Mensch darf für sich selbst entscheiden, ob er/sie ein Glaubenssystem akzeptieren möchte, das ihn/sie strikt einem sanktionierten Verhaltensregelwerk unterwirft, auf dessen Ausgestaltung und Interpretation er/sie selbst keinerlei Einfluss hat. Selbstverständlich gibt es verschiedenste “Gottesbilder”, wie v.a. auch einen liebenden, einfühlsamen Gott. Doch die alttestamentarische Überwachungsvariante ist historisch/kulturell ganz besonders in unserer Psychologie verankert und bestimmt auch heute noch in vielen Bereichen unser persönliches und kollektives Verhalten.

Juristische Definition von „Schuld“

Der normative Schuldbegriff des Strafrechts setzt entweder Fahrlässigkeit oder Vorsatz voraus und baut als Prämisse auf der Willensfreiheit des Menschen auf. Wenn ich „nicht Herr meiner Sinne“ bin, d.h. berauscht, geistig verwirrt oder in Panik, dann kann mich daher auch ein rechtlicher Schuldvorwurf nicht treffen. Fahrlässigkeit bedeutet mangelnde Sorgfalt, ein Umstand der je nach Ausbildungsgrad und Berufsbild unterschiedlich zu werten ist. Vorsatz bedeutet hingegen, dass ich aus freiem Willen und in vollem Bewusstsein der negativen Folgen einem anderen Menschen Schaden zugefügt habe. Im Falle der Fahrlässigkeit sollte in einer menschenfreundlichen Gesellschaft wohl eher die Ausbildung verbessert, die Geschicklichkeit geschult oder aber durch entsprechende Technologie in Zukunft ein ähnlicher Schaden vermieden werden als „abschreckende Strafe“ zu praktizieren. Bei Vorsatz hingegen wäre sinnvoller Weise das Motiv des Schädigenden zu hinterfragen: Weshalb wollte hier jemand einem anderen Menschen ganz bewusst schaden? Gewalt ist zumeist die Folge gescheiterter Kommunikation. Hartnäckige geistige Vorstellungen oder aggressive Sprachmuster können dafür Auslöser sein. Strafe ist in allen diesen Fällen kaum förderlich, auch nicht zur Prävention, denn die Täter halten sich entweder für zu schlau um gefasst zu werden oder nehmen die angedrohte Strafe auch ganz bewusst in Kauf.

Ökonomischer Schuldbegriff

Der wirtschaftliche Schuldbegriff wurzelt zwar in seinem rechtlichen Pendant, besitzt aber dennoch einige Besonderheiten. So beschreibt die wirtschaftliche „Schuld“ (die zumeist im Plural verwendet wird, also „Schulden“) zumeist nur eine finanzielle Dimension, stellt daher einen exakt benennbaren Geldbetrag dar. Die wirtschaftlichen Schulden wurzeln regelmäßig in einem Kauf-, Tausch-, Leih- oder Mietvertrag. Allgemein schuldet der Empfänger einer im voraus erbrachten Leistung selbst dann noch die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, z.B. der Käufer einer Ware den Kaufpreis, der Mieter den Mietzins etc. In all diesen Fällen besteht die Gegenleistung zumeist in der Bezahlung eines Geldbetrags. Die häufigsten (zugleich auch höchsten) „Schulden“ finden wir einerseits bei Bankkrediten, andererseits bei den sog. Staatsschulden. Da die Aussage „Schulden existieren nicht“ den Pluralbegriff verwendet, bezieht sie sich auch konkret auf diesen finanziellen, ökonomischen Aspekt der „Geldschulden“.

Um die „Nichtexistenz finanzieller Schulden“ verstehen zu können, ist es erforderlich, sich zunächst Klarheit über die Natur des Geldes zu verschaffen. Geld im engeren Sinne, nämlich als gesetzliches Zahlungsmittel, besteht ausschließlich aus „auf Euro lautenden Banknoten und Münzen“ (siehe EuroG §1 Abs. 1, für Österreich z.B. hier). Damit ist also Bargeld gemeint, das jedoch in naher Zukunft eingeschränkt bzw. sogar abgeschafft werden soll, wofür in den Medien bereits deutlich geworben wird (siehe etwa hier). Im täglichen Wirtschaftsleben wird aber in über 95% der Fälle nicht Bargeld, sondern Giralgeld, das „Buchgeld der Banken“, verwendet. Dieses ist aber, wie in den vorangehenden Beiträgen dieser Newsletter-Reihe nachgewiesen, kein gesetzliches Zahlungsmittel sondern rein rechtlich bloß eine „Forderung auf Bargeld“. Daher ist, aus rechtlicher Perspektive, auch die „Abschaffung von Bargeld“ eine spannende Idee, denn wenn Buchgeld nur eine Forderung auf Bargeld darstellt, was wäre dieses Buchgeld denn dann nach einer Bargeldabschaffung? Offensichtlich eine „Forderung auf nichts“? Weshalb sollte man dann für eine „Forderung auf nichts“ konkrete Vermögensgegenstände tauschen oder eine Dienstleistung erbringen? Antworten auf diese Fragen bleiben uns hingegen Politiker und sogenannte Wirtschaftsexperten ihrerseits stets schuldig.

Wenn wir nun aber die Kreditvergabe einer Geschäftsbank rechtlich nicht als „Darlehen“ (mangels Aktivtausch in der Bilanz, d.h. mangels „hingegebenen Vermögens“ der Bank) sondern als Schuldscheintausch interpretieren (Kreditvertrag als Schuldschein des Kreditnehmers und Giralgeld als Schuldschein der Bank auf Bargeld), dann sehen wir sofort, dass die im Kreditvertrag behauptete Schuld rechtlich nicht nachgewiesen werden kann.

Wie sieht es aber mit den sogenannten Staatsschulden aus?
Auch die Frage, warum der Staat sich bei Banken verschuldet, nachdem er ihnen das Geldschöpfungsmonopol verschafft hat, sich also in eine Abhängigkeit jener begibt, denen er diese Gunst zuvor exklusiv erwiesen hat, anstatt für gemeinschaftförderliche Zwecke diese Zahlungsmittel einfach selbst herzustellen (selbst „Geld zu schöpfen“), klügstenfalls auch gleich als Ertrag und somit nicht als verzinste Schuld, können weder Politiker noch Ökonomen oder Juristen uns beantworten. Ideologische Behauptungen der „Vermeidung der Schuldenmacherei des Staates“ (so, als ob dies unter dem Regime der „autonomen Zentralbanken“ etwa nicht der Fall wäre!) und Angstpropaganda (Ausmalung einer „Inflationsgefahr“, die ebenfalls immer in Zeiten privater Zentralbanken am höchsten war!) sollen hier die offensichtlichen Wissenslücken schließen.

Wenn es also nur an der Buchungstechnik liegt, ob ein Staat sich „verschulden muss“ oder aber einfach die freiwilligen Leistungen seiner Bevölkerung im Konsens in Form eines skalaren (eindimensionalen) Zahlenbetrags „bewertet“, dann kann auch eine „Steuerforderung des Staates“ nicht rational begründet und damit auch nicht rechtlich legitimiert werden. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang v.a. auch der Umstand, dass die meisten Staaten heute ihre Steuerforderungen in Form von Giralgeld (also in Form elektronischer Schuldscheine privater Firmen) annehmen und die Form des einzig gesetzlichen Zahlungsmittels (Bargeld!) verweigern! Alleine diese Tatsache ist an Absurdität kaum noch zu überbieten.

Wenn wir uns in der kurzen Publikation „Häufig gestellte Fragen zum Thema Geldschöpfung“ der deutschen Bundesbank auf Seite 3 zur aktuellen Rechtslage erkundigen wollen, so finden wir dort folgendes:

Frage: „Was ist die rechtliche Grundlage für die Buchgeldschöpfung?“
Antwort: „Es gibt keine direkte rechtliche Regelung. Die Möglichkeit zur Buchgeldschöpfung durch Banken wird vom deutschen Recht vorausgesetzt. …“
Quelle: Publikation der deutschen Bundesbank

Diese Antwort ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Erstens beschränkt sie sich offensichtlich auf „deutsches Recht“ und übersieht dabei, dass ja auch internationale Rechtsnormen wie etwa die internationalen Bilanzierungsregeln (International Financial Reporting Standards, IFRS) zumindest von börsennotierten Geschäftsbanken einzuhalten sind. Doch auch das nationale Bilanzrecht müsste hier erwähnt werden, da sich die „Giralgeldschöpfung“ ja schließlich in der Buchhaltung und somit der Bilanz ereignet. Sind Banken von Bilanzierungsregeln etwa ausgenommen? Wäre das dann nicht wiederum ein Verstoß gegen einen verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz? Oder, nochmal anders gefragt: Wenn es für die Geldschöpfung der Geschäftsbanken im Rahmen der Kreditvergabe im deutschen Recht keine gesetzliche Grundlage gibt, auf welcher Grundlage erfolgen dann Prozesse gegen sogenannte Kreditbetrüger? Können Richter ohne gesetzliche Grundlage überhaupt ein Urteil ergehen lassen? Reichen Vertragstexte (noch dazu in Kopie, wo doch der Kreditvertrag ein Forderungswertpapier darstellt!) wirklich aus, die ohne gesetzliche Grundlage erfolgten „Luftbuchungen“ der Geschäftsbanken zu legitimieren?

Wie ist es überhaupt um den Zusammenhang zwischen Recht und gesetzlichem Geld bestellt? Bieten andere Staaten, z.B. die als demokratisches Vorbild stets überall hochgelobte Schweiz, da eine bessere Grundlage? Sehen wir uns dazu einfach die dort im Juni 2018 abgehaltene Volksabstimmung zum Thema Vollgeld an (siehe nachfolgend die Webseite der Vollgeld-Initative). Was genau wollte die Vollgeldinitiative erreichen? Ziel war die Einführung des Monopols der Buchgeldschöpfung für die Zentralbank. Nicht die Geschäftsbanken sollten im Rahmen der Kreditvergabe eigene elektronische Schuldscheine (Giralgeld) per Buchung in die Sichteinlagen erzeugen können, sondern nur die Zentralbank sollte dazu in der Lage sein. Dieses „elektronische Zentralbankbuchgeld“, welches eben deshalb, weil es die Zentralbank geschöpft hat, auch selbst ein gesetzliches Zahlungsmittel wäre, würde an die Geschäftsbanken weitergereicht und diese würden es dann an ihre Kunden im Rahmen der Kreditvergabe weiterreichen. Es würde also jener Zustand herrschen, von dem die Mehrheit der Bevölkerung ohnedies überzeugt ist, dass er Realität wäre: Die Zentralbank wäre die einzige legale Stelle der Geldschöpfung (eben nicht nur für Bar- sondern auch für Buchgeld). Die Geschäftsbanken würden ihre Kundenkonten dann nur noch als Treuhandkonten führen. Dies hätte für die Bankkunden den entscheidenden Vorteil, dass ihre Gelder nicht mehr Bestandteil der Bankbilanz wären, d.h. im Falle einer Bankenpleite wäre das Geld der Kunden niemals in Gefahr, und zwar nicht, weil Steuerzahler (also letztlich wiederum die Bankkunden selbst, dann aber eben in der Rolle der Steuerzahler) dafür aufkommen müssten, sondern, weil dies buchungstechnisch gar nicht möglich wäre: Geht eine Bank in Konkurs, bleiben die Kundenkonten unberührt und sie werden einfach von einer anderen Bank (einem anderen Treuhänder) übernommen. So einfach und sicher könnte das Vollgeldsystem funktionieren. So einfach wurde es dem Schweizer Stimmvolk aber nicht erklärt! Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen in der Schweiz wurden über die Vollgeldinitiative Unwahrheiten verbreitet und es wurde auch den Pro- und Contra-Argumenten im „Bundesbüchli“ nicht, wie gesetzlich gefordert, gleich viel Raum zur Darstellung geboten (siehe hier und folgen Sie dem roten Link „Achtung! 20 Fehler im Bundesbüchlein“). Damit wurde also sogar in der hochgelobten Schweiz in Geldfragen gegen die eigenen Gesetze verstoßen!

Bank(kredit)schulden, Staatsschulden und Steuerschulden „existieren“ daher, aus rechtlicher Sicht, nur bei unhinterfragter Akzeptanz des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für die Kreditgeldschöpfung durch private, gewinnorientierte Firmen sowie der freiwilligen Verschuldung bei diesen Firmeneigentümern anstatt im Auftrag der Bevölkerung jene Zahlungsmittel herzustellen, die für gemeinnützige Zwecke tatsächlich benötigt werden. Ist es also nun Aufgabe der Politik jenen gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmen herzustellen, der für solche Änderungen erforderlich wäre? Müssen wir also „die richtige Partei“ wählen (oder vorerst überhaupt einmal gründen), um all dies möglich zu machen? Ist eine „neue Politik“ die Lösung oder fehlt noch etwas, eine neue Grundlage, auf der diese „neue Politik“ z.B. ihre Entscheidungen absichern und treffen kann?

Wäre es möglich, dass die heutige Politik v.a. deshalb keine Änderungen in diesem Bereich vornehmen kann, weil ihr dazu die erforderlichen Grundlagen fehlen? Wer berät denn heute die Politiker? Es sind Experten aus den Bereichen Ökonomie und Recht. Es sind also genau jene Menschen, die am längsten und am vollkommensten in die Ideologie von Konkurrenz und Verknappung („freie Marktwirtschaft“) und ihre autoritäre, strafbewährte Durchsetzung eingetaucht sind, diese Dogmen komplett verinnerlicht haben. Sie beraten im Rahmen ihrer gewinnorientierten Firmen (also wieder innerhalb des ökonomischen Dogmas in Form einer Abhängigkeit) Politiker gegenwärtig unter dem Deckmantel der Wissenschaft!

Ökonomie und Wissenschaft

Was genau sollte Wissenschaft denn in einer Gesellschaft leisten? Zunächst sollte sie wohl neues Wissen „erschaffen“, also entdecken, erkunden und experimentieren. Vermutete Zusammenhänge sollten im Rahmen dieser Forschungen durch praktische Experimente überprüfbar sein (empirische Methode, Falsifikationsprinzip nach Popper). Im Rahmen der Psychologie und der Sozialwissenschaften muss aber natürlich auch der subjektive Standpunkt eines Individuums, seine Biographie, seine Prägungen, Beschränkungen und „subjektiven Wahrheiten“ (Glaubenssätze) entsprechend berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Überprüfen wir diese Ansprüche nun aber am Beispiel der „Wirtschafts- und Rechtswissenschaften“:

In den Wirtschaftswissenschaften wird dem „freien Markt“ gehuldigt, d.h. in seiner unbeschränkten Ausgestaltung wird ein hoher (der höchste?) gesellschaftlicher Wert gesehen. Doch wie ist ein „Markt“ im Rahmen der Ökonomie überhaupt definiert? Ein Markt ist angeblich jener Ort, an welchem durch „Angebot und Nachfrage“ ein Preis zustande kommt, d.h. durch die Verhandlung eines Verkäufers mit einem Käufer. Dabei wird zumeist unausgesprochen (implizit) die „Regel von Angebot und Nachfrage“ vorausgesetzt, d.h. je höher die Nachfrage, desto höher steigt der Preis bzw. bei niedriger Nachfrage sinkt er wieder. In der Lebenswirklichkeit jedoch existiert ein solcher „Markt“ überhaupt nicht! Dieser Begriff ist nachweislich nur eine leere Worthülse, ohne konkrete Bedeutung. In der Realität nachweis-, und daher empirisch überprüfbar, sind lediglich konkrete Marktformen, wie das Monopol (ein Marktteilnehmer kann unbeschränkt den Preis diktieren), ein Oligopol (eine kleine Gruppe von Marktteilnehmern bestimmt den Preis) oder aber, dieser Fall wird eher nur in Lehrbüchern beschrieben und ist in der Wirklichkeit kaum auffindbar, die „vollkommene Konkurrenz“, d.h. kein Marktteilnehmer (weder Verkäufer noch Käufer) kann den Preis verändern, alle sind daher sogenannte „Preisnehmer“. Nun funktionieren aber Monopole, Oligopole bzw. die, eher nur theoretisch interessante, „vollkommene Konkurrenz“ als Marktform jeweils völlig unterschiedlich. Wie können diese völlig konträren Organisationsformen im Rahmen einer „Wissenschaft“ mit ein und demselben Begriff („Markt“) benannt werden? Liegt die Antwort auf diese Frage vielleicht darin, dass es den Politikern peinlich wäre, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen? Dient der Begriff „Markt“ nur als Verschleierung? Wie würde die Bevölkerung wohl reagieren, wenn die Politiker ihnen anstatt „das soll der freie Markt entscheiden“ die Phrase „das sollen die Kartelle entscheiden“ offerieren müssten?

Betrachten wir zum Begriff „Markt“ doch einfach die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Vor ca. vierzig Jahren existierten im Lebensmittelhandel noch die sogenannten „Tante-Emma-Läden“. Dies waren Geschäfte, bei denen die Eigentümerin/der Eigentümer direkt im Laden anwesend war. Dort konnte man daher als Kunde über den Preis verhandeln, Brot und Gebäck vom Vortag evtl. billiger erwerben etc. Und dieser Ladeneigentümer konnte auch einem Bedürftigen vor der Ladentüre einen Laib Brot oder anderes einfach schenken, eben, weil er der Eigentümer der ausliegenden Ware war. Dann setzte allerdings eine interessante Entwicklung ein. Es wurden riesige Warenlager in die Landschaft gebaut (umgeben von ebenso großzügigen Parkplätzen), darin wurden alle möglichen Waren (nicht nur Lebensmittel, auch Waren des täglichen Bedarfs, Werkzeuge, Büromaterial, Spielwaren etc.) zum Verkauf angeboten und Angestellte wurden an die Registrierkassen gesetzt. An diesen Gebäuden wurde sodann die Aufschrift „Supermarkt“ angebracht. Von der Bevölkerung wurde sowohl die Bezeichnung als auch die Vorgangsweise prompt akzeptiert, v.a. weil die Waren (aufgrund der großen Einkaufsmengen und der besseren Organisation der Logistik) zunächst dort wesentlich billiger erworben werden konnten als in den kleinen „Tante-Emma-Läden“. Doch hat dort jemals ein Kunde versucht, mit der Kassenangestellten über den Preis zu verhandeln? Ist eine Preisverhandlung überhaupt denkmöglich, wenn der Eigentümer der Waren nicht einmal im Laden anwesend ist? Kann man eine solche Einrichtung dann überhaupt noch als „Markt“ bezeichnen oder wäre die Aufschrift „Super-Erpressung“ nicht besser geeignet um das zu beschreiben, was dort geschieht?

Sehen wir uns nun noch einmal eine gängige Definition der Volkswirtschaftslehre (auf englisch Economics) näher an: „The optimal use of scarce resources“ – die optimale Verwendung knapper Ressourcen. Die Knappheit wird im Rahmen dieser „Wissenschaft“ also bereits dogmatisch vorausgesetzt. Sie wird weder definiert noch empirisch untersucht, sondern stellt einen unhinterfragten Bestandteil der „Wissenschaftsdefinition“ selbst dar, ist also Teil eines Dogmas! Welche Folgen hat eine solche dogmatische Definition? Sollte ein Ökonom jemals vor Politikern oder der Bevölkerung erklären, wie wir global den Mangel verlassen und in die Fülle gelangen können, müsste er sich von seinen Kollegen – aus deren Sicht auch zu Recht! – zurechtweisen lassen, denn mit diesen Aussagen verlasse er den Boden ihrer gemeinsamen Wissenschaft, da der Mangel schließlich den zentralen Teil ihrer Definition bildet. Es kann sich daher allenfalls um seine Privatmeinung handeln! Güter, die in ausreichender Menge oder im Überfluss vorhanden sind, sind schließlich keine „Wirtschaftsgüter“, wie jeder Studierende schon im ersten Semester erfährt. Für diese gelten daher auch nicht die „Preisgesetze von Angebot und Nachfrage“.

Da in den „Wirtschaftswissenschaften“ also der Mangel das „Maß aller Dinge“ ist, muss auch Geld, wenn wir es als „Gut“, als Tauschobjekt, verstehen, stets knapp gehalten werden. Haushalte, private wie öffentliche, müssen daher „sparen“. Dies ist natürlich eine falsche Ausdrucksweise, denn „sparen“, d.h. Überschüsse gewinnbringend veranlagen, kann nur, wer auch Überschüsse besitzt, somit eben nicht unter Geldmangel leidet. Dennoch wird auch dieser Begriff („sparen“) in einer Doppelsinnigkeit verwendet, von der Politik, in den Medien, aber auch im Lehrbetrieb und dieser sogenannten Wissenschaft. Eine zu große Geldmenge, die einer zu geringen Güter- und Dienstleistungsmenge gegenübersteht, „erzeugt“ daher angeblich Inflation, d.h. das Ansteigen der Preise, was mit dem Verlust der Kaufkraft (also dem „Wert des Geldes“) gleichgesetzt wird. In unzähligen Berichten, Vorträgen, Diskussionen und Erklärungen wird die absolute Notwendigkeit der „Steuerung“ dieser „Geldmenge“ immer wieder hervorgehoben. Tatsächlich ist auch die „Vermeidung von Inflation“ die zentrale Aufgabe der National- und Zentralbanken in diesem denkwürdigen politischen System. Da aber Preise nicht nur durch die Ausweitung der Geldmenge steigen, sondern v.a. auch durch die Verknappung von Waren und Dienstleistungen künstlich hochgepresst werden können, ist es doch erstaunlich, dass dem Thema der Warenverknappung weder in der Politik, noch den Medien, weder den Lehrsälen noch den „wissenschaftlichen“ Publikationen jemals Beachtung geschenkt wird! Waren- und Dienstleistungsverknappung wirkt exakt gleich wie eine Geldmengenausweitung. Tatsächlich ist es, mangels eines entsprechenden Informationssystems – schließlich wird die nicht befriedigte Nachfrage bzw. der tatsächlich vorhandene, von der Bevölkerung tatsächlich erlebte, Mangel auch in keiner Datenbank erfasst! – heute noch nicht möglich, eine solche (evtl. vom Verkäufer vorsätzlich bewirkte!) Verknappung nachzuweisen. Würde sich der technische Fortschritt voll entfalten, müsste tatsächlich eine Deflation eintreten, die Preise müssten also sinken (bzw. der „Wert des Geldes“ steigen), weil immer mehr, qualitativ bessere Waren mit immer weniger Energie, menschlicher Arbeit und Ressourceneinsatz hergestellt werden könnten. Wenn wir also nachhaltige Deflation bei gleichzeitig verbesserter Versorgung der Bevölkerung nicht beobachten können, so ist dies ein Indiz dafür, dass der technische Fortschritt entweder überhaupt nicht stattfindet oder aber dem Großteil der Bevölkerung vorenthalten wird!

Wie in den vorangehenden Ausgaben dieses Newsletters sehr detailliert dargelegt wurde, ist ein „Mangel an Buchgeld“ eine rein technische Unmöglichkeit: Solange genügend Speicherkapazität und Energie zur Verfügung steht, können praktisch unbegrenzte Mengen an Zahlen in entsprechend dimensionierten Datenbanken erfasst und verwaltet werden. Der einzige Grund für „Geldknappheit“ und „Sparmaßnahmen“ (korrekt: Mangeldiktate!) besteht daher in der dogmatischen Preissetzungsregel von „Angebot und Nachfrage“, einer Spielregel, die, wenn man sie konsequent durchdenkt, von Beginn an als Erpressung funktioniert. Stellen wir uns, um diese Wirkung zu verstehen, vor, wir hätten einen Freund, der unter einer Bienengiftallergie leidet. Und wir, die wir keine Bienengiftallergiker sind, besäßen nun aber eine Packung eines für ihn lebensrettenden Medikaments. Welchen „finanziellen Wert“ besäße diese Medikamentenpackung nun für uns? Ganz offensichtlich keinen Nutzwert, allenfalls einen Tauschwert, sollten wir nicht freimütig (aufgrund des mangelnden Nutzwerts) die Medikamente gleich unserem Freund als Geschenk überreichen. Sollten wir nun, v.a. als absolvierte akademische Ökonomen, auf die Idee kommen, den „Preis“ für diese Medikamente „künstlich erhöhen“ zu wollen, wie müssten wir dann wohl verfahren? Offensichtlich müssten wir für unser Verkaufsangebot den passenden Zeitpunkt wählen: Direkt nachdem unser Freund von einer Biene gestochen wurde und andere Medikamente für ihn nicht erreichbar sind. Dies wäre, nach der Lehre vom „Homo oeconomicus“, der optimale Zeitpunkt um die Verkaufsverhandlungen mit unserem Freund zu beginnen. Ganz bestimmt lässt sich sogar mit mathematischer Präzision der optimale Gewinnpunkt in einer Kurve darstellen, wenn nämlich die Symptome für ihn bereits sehr stark spürbar sind, er aber immer noch lange genug überleben wird, um uns noch vor Einnahme des Medikaments bezahlen zu können.

Natur und Funktion normativer Wissenschaft

Leser meines Newsletters werden auch die „Natur der Rechtswissenschaften“, v.a. in Bezug auf die Kreditgeldschöpfung der Geschäftsbanken, einem Schuldscheintausch, der von Banken, Anwälten und Richtern aber als „Darlehen“ behandelt wird, kompetent beurteilen können. Wenn man sich die diesbezügliche Aussage der deutschen Bundesbank („Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken in der Kreditvergabe besitzt keine gesetzliche Grundlage, das deutsche Recht setzt diese Möglichkeit der Banken vielmehr voraus.“) vor Augen hält, dann wird deutlich, dass es sich auch hier nicht um das handeln kann, was ursprünglich unter Wissenschaft verstanden wurde. Das oberste Ziel eines Rechtssystems, nämlich „objektive Gerechtigkeit“ (im Sinne des Naturrechts), ist bereits in sich selbst ein Widerspruch. „Gerechtigkeit“ kann nämlich auch interpretiert werden als ein sozialisiertes Gefühl (i.S. der Gerechtigkeitsforschung), das Menschen in ihrem familiären, religiösen, kulturellen und sozialen Umfeld übernehmen. Deshalb sind in konkreten Einzelfällen ethische Problemlösungen im Konsens auch so schwierig, weil der Gerechtigkeitsbegriff leider von Kultur zu Kultur, sozialer Schicht zu sozialer Schicht, Glaubensrichtung zu Glaubensrichtung usw. stark schwankt.

Wo sind nun aber die „Rechts- und Wirtschaftswissenschaften“ aus Sicht der Wissenschaftstheorie exakt zu verorten? Es handelt sich bei diesen (aber auch bei anderen wie Politologie, Pädagogik und anderen) um sogenannte normative Wissenschaften, „Wissenschaften des Sollens“. Was genau die Aufgabe einer „Wissenschaft des Sollens“ ist und mit welcher Methode sie forscht und lehrt, ist hingegen nach wie vor ein Rätsel! Bei einer „Wissenschaft des Sollens“ müsste ja zunächst einmal geklärt werden, wessen Sichtweise hier „normiert“ werden soll. Wer ist es denn, der uns sagt, was wir in Ökonomie, Recht, Pädagogik und Politologie „sollen sollen“? Wenn wir dann aber die Frage stellen, wie dieser Befehlshaber sich selbst wieder legitimiert (im Sinne einer „gesetzlichen Grundlage“ bzw. einer „demokratischen Wahl“), dann erkennen wir unschwer, dass es sich hier um einen Zirkelschluss handelt: Die Metá-Wissenschaft des Rechts kann überhaupt nicht „gesetzlich legitimiert“ sein, weil sie selbst es ist, die z.B. definiert, was überhaupt Gesetze sind und wozu wir sie verwenden können. Solche geistigen Klimmzüge enden zumeist, je nach religiös-/philosophischer Ausrichtung des solches Erwägenden, entweder bei einem allmächtigen göttlichen Wesen (damit in der Religion) oder im „Recht des Stärkeren“ (als Ausprägung des Sozialdarwinismus, somit eines anderen Glaubenssystems).

Wie sollen nun aber politische Berater, die entweder auf die Mangeldoktrin (Geldverknappung zur Inflationsvermeidung) oder das Dogma der „objektiven Gerechtigkeit“ konditioniert sind hilfreich ihre Klienten beraten? Schon die dogmatischen Definitionen ihrer Fachwissenschaften setzen ihnen enge Grenzen und ihre oftmals über Jahrzehnte antrainierten Wahrnehmungsfilter verhindern Problemlösungen, die diesen Namen auch verdienen.

Für die Ordnung und Beschreibung der Wissenschaften zuständig ist die Wissenschaftstheorie, ein Teilbereich der Philosophie. Schauen wir daher zunächst ganz naiv und unbefangen in der deutschsprachigen Wikipedia unter dem Begriff „Normative Wissenschaft“ nach. Zunächst wird kurz beschrieben, was das Ziel normativer Wissenschaft sei: „Die allgemeine Beantwortung normativer Fragen.“ Wenn wir verstanden haben, was „normativ“ bedeutet (die „Wissenschaft vom Sollen“), dann erkennen wir hier auch sofort das zentrale Problem: Wie soll eine „allgemeingültige Norm“ denn – für denkende und fühlende Wesen, nicht für elektronische Schnittstellen oder schadstoffausstoßende Motoren! – überhaupt möglich sein? Ganz konsequent folgt dann auch die nächste Überschrift: „Ist eine normative Wissenschaft möglich?“ Nach längeren Ausführungen zu historischen Vertretern unterschiedlicher Meinungen in dieser Sache sticht sofort der letzte Satz dieses Unterkapitels ins Auge: „Damit bleibt die Möglichkeit normativer Wissenschaft weiterhin umstritten.“

DEUTSCHE WIKIPEDIA: „NORMATIVE WISSENSCHAFT“

Beachten wir bitte hier die Formulierung: Es werden nicht einzelne Aspekte oder Methoden in Frage gestellt, fundierte Pro- und Contra-Argumente gegeneinander abgewogen, nein, es wird schlicht auch nur die Möglichkeit, normative Aussagen im Rahmen einer Wissenschaft zu generalisieren als „umstritten“ klassifiziert. Jene Leitwissenschaften unserer westlichen Kultur, die Wettbewerbsökonomie der freien Märkte zusammen mit den all problemlösenden, segensreichen demokratischen Rechtsordnungen als Produkte einer „Wissenschaft“, werden als „umstritten“ bezeichnet. Möglicherweise sind diese „normativen Wissenschaften“ überhaupt keine Wissenschaften! Jedenfalls sind sie keine empirischen Wissenschaften, im Rahmen deren Aussagen (Hypothesen, Theorien) anhand konkreter Experimente widerlegt (falsifiziert) werden können. Da ein solches Experimentum Crucis über die Gültigkeit ökonomischer Theorien bisher noch nie stattgefunden hat, ja offensichtlich überhaupt nicht ausgeführt werden kann, behaupten im Rahmen dieser „Wissenschaften“ einige einiges und viele vieles. Ihre Aussagen werden dann zwar „Theorie“ genannt, sind aber eher dem Bereich von Ideologie und Propaganda zuzurechnen, damit dem Bereich gesellschaftlichen Machterhalts, als einer empirischen (womöglich sogar exakten) Wissenschaft.

Wie sehen unsere Freunde im angelsächsischen Sprachraum die Stellung von „Normative Science“? Auch hier können wir zunächst ganz unbefangen die englische Wikipedia zu ebendiesem Stichwort befragen. Schon der erste Satz besticht durch seine Offenheit, Schlichtheit aber auch die Tragweite seiner Bedeutung: „In the applied sciences, normative science is a type of information that is developed, presented, or interpreted based on an assumed, usually unstated, preference for a particular outcome, policy or class of policies or outcomes.“ (Im Rahmen der angewandten Wissenschaften stellt normative Wissenschaft einen Typus von Informationen dar, der entwickelt, präsentiert oder interpretiert wird basierend auf angenommenen, üblicherweise nicht offengelegten, Präferenzen für ein bestimmtes Ergebnis oder eine bestimmte Politik.) Hier wird das Naheverhältnis zu Propaganda und gesellschaftlicher Macht sehr deutlich und auch ganz offen ausgesprochen!

ENGLISCHE WIKIPEDIA: „NORMATIVE SCIENCE“

Wohlstand durch technischen Fortschritt

Szenenwechsel: Stellen wir uns die tausendköpfige Besatzung eines Mehrgenerationenraumschiffes vor, die vor mehreren Jahrzehnten in den Weltraum gestartet ist, um auf einem anderen, erdähnlichen Planeten (Erde 2) eine neue Zivilisation zu begründen. Dazu ist alles an Bord: Ausreichende Pflanzhäuser mit der Möglichkeit der Düngung in einem geschlossenen Kreislauf, Wasserversorgung und -aufbereitung, Reaktoren zur praktisch zeitlich unbegrenzten Energieversorgung, modernste Technologie zur Errichtung nachhaltiger Siedlungen mit Kreislaufwirtschaft und vieles mehr. Dann kommt der große Tag, ein erdähnlicher Planet, frei von Raubtieren, Krankheitserregern, feindlichen Anrainern und giftigen Gasen wird erreicht und die ersten Landeteams besteigen ihre Shuttles um alles für die Gründung der ersten Siedlung vorzubereiten. Was werden diese Zivilisationspioniere gleich nachdem sie für Wohnraum, Wasser, Energie, Kleidung und ihre Mobilität vor Ort gesorgt haben wohl als nächstes tun? Werden sie Kirchen, Moscheen und Tempel errichten, um nach unterschiedlichen Ritualen in unterschiedlichen Gemeinschaften denselben Gott anzubeten? Werden sie mehrere politische Parteien gründen, um ein Parlament bilden und eine Regierung wählen zu können? Werden sie Geldpressen aufstellen um Papierscheine (als Schuldscheine) in Umlauf zu bringen um dafür zu sorgen, dass diese immer möglichst knapp sind, damit ihr „Wert“ nicht sinkt, damit sich alle hier auch etwas um diese Zettel „kaufen“ können?

Wer angesichts dieser technologischen und ökologischen Möglichkeiten daran denkt, welche Unmengen an Zeit und Lebenskraft in der menschlichen Geschichte mit diesen „zivilisatorischen Errungenschaften“ sinnlos vergeudet wurden, wird die Absurdität dieser Idee sofort erkennen. Eine Gesellschaft, welche über ausreichende, nachhaltige (und damit ökologisch unschädliche!) Technologie verfügt, benötigt darüber hinaus weder ein Geld- noch ein Rechtssystem, weder politische Parteien noch ausgeklügelte Abstimmungsprozesse. Solange wir uns aber noch auf „Erde 1“ befinden, umgeben von mächtigen Institutionen, die letztlich ihre Existenz nur diesen „historischen Scheinproblemen“ verdanken – und damit im bestehenden Geldsystem auch ihre Erschaffer und Verwalter ernähren und ihnen Prestige und Status verschaffen! -, ist es offensichtlich, dass wir mit den „Wissenschaften“ Ökonomie, Recht, Politik und Pädagogik auch nichts werden verändern können. Wir benötigen für diese Transformationsbestrebungen daher eine andere Form von Wissenschaft, die „Metá-Wissenschaft“ von Ökonomie, Recht, Pädagogik und Politologie. Ich nenne diese Wissenschaft „Systemische Gesellschaftswissenschaft“.

Eine neue Idee von Wissenschaft

Die Systemische Gesellschaftswissenschaft (SGW) als Systemische Wissenschaft (SW) ist sich ihrer Rolle im Rahmen der Kommunikations- und Lernprozesse von Individuen und Gemeinschaften stets bewusst. Sie modelliert Gesellschaften auf der Grundlage der Kommunikationen zwischen Individuen und Gruppen im Rahmen dieser Gesellschaft. Sowohl die Veränderungen der Individuen als auch der Gesellschaft selbst sowie der dafür (von wem auch immer) gesetzten Regeln werden ebenfalls berücksichtigt. Da jede autonome Gemeinschaft ihre Regeln auch selbst verändern kann, können wir für diese auch den abstrakten Begriff eines „Spiels“ (in Anlehnung an die Spieltheorie) verwenden. Hier wird es aber, eben weil es sich um eine SW handelt, wichtig sein, auch jene Spieler zu betrachten, welche in der Lage sind, die Regeln zu bestimmen bzw. zu verändern, die sogenannten Metá-Spieler. Wenn wir im Rahmen unserer Spiele davon ausgehen, dass Metá-Spieler bereits ein Zähl- und Punktesystem vorbestimmt haben, dann können wir hier von Nullsummen- und Plussummenspielen sprechen. Autonome Gemeinschaften können selbst entscheiden, ob sie überhaupt eine lineare Skala mit einheitlichen Einheiten zur Zählung im Rahmen ihres Spiels verwenden wollen. Alternativ könnten sie auch mehrere, unterschiedliche Zähleinheiten mit variierenden Skalen oder aber überhaupt keine Punktezählung verwenden. Als mathematisch vorgebildeten Menschen erscheinen uns Gesellschaften, die auf explizite Punktezählungen verzichten, als primitiv. Zumeist projizieren wir allen technischen Fortschritt, den wir tatsächlich der mathematischen Darstellung mechanischer und optischer Zusammenhänge verdanken, automatisch auch in den Fachbereich der Ökonomie, wenn wir dort auf Gleichungen und andere mathematische Konstrukte treffen.

Nullsummenspiele sind solche, bei denen die Summe aller Gewinne und Verluste pro Runde stets den Wert Null ergeben. Bei Plussummenspielen hingegen können auch alle Spieler gemeinsam gewinnen oder verlieren, die Gesamtsumme an Gewinnen und Verlusten schwankt und die Höhe der Gewinne ist auch nicht von der Höhe der Verluste anderer Spieler abhängig.

Betrachten wir nun zunächst eine einfache Tauschwirtschaft. Auf David Ricardo geht etwa ein Beispiel zurück, in dem er darstellen möchte, dass sich der internationale (Tausch-)Handel in jedem Falle für alle Beteiligten lohne, sogar unabhängig vom konkret verhandelten Preis. Dazu stellen wir uns zwei fiktive Länder vor, in einem Land existieren viele Südhänge und es wird weit mehr Wein produziert, als die Bevölkerung konsumieren kann, es gibt allerdings kein Tuch. Im Nachbarland gibt es sehr viele Flachsfelder und die Tuchproduktion stellt mehr Tuch her, als man in diesem Land benötigt, es gibt aber keinen Wein. Ricardo folgert nun, dass durch Handel der Wohlstand beider Länder gesteigert werden könne, weil jeder als Gegenleistung für etwas, das er im Überfluss herstellen kann (somit für ihn einen Nutzwert von Null besitzt) etwas erhält, das er davor überhaupt nicht hatte (Nutzwert daher sehr hoch). Wenn die Menschen in realen Gemeinschaften ihren Wohlstand erhöhen wollten, würden sie wohl auf die Idee des Handels kommen bzw. gekommen sein, fraglich ist jedoch, ob sie dazu des Konzepts eines „Nutzwerts“ oder auch eines „Tauschwerts“ bedurft hätten. Davon abgesehen wird die Möglichkeit der Produktion von Tuch (Flachs) und Wein (Trauben) in diesem Beispiel ausschließlich von den landschaftlichen Gegebenheiten abhängig gemacht („Felder“, „Südhänge“). Wenn dabei z.B. auch Kenntnisse und Technologie eine (vielleicht sogar die entscheidende!) Rolle spielen würden, denken wir etwa an Gewächshäuser, automatischen Anbau und Erntemaschinen, dann könnten die Einwohner dieser Länder ja evtl. auch von einander lernen, danach jeweils für sich selbst ausreichend Tuch und Wein produzieren und wären vom Handel wieder komplett unabhängig. In dem Moment aber, wo wir versuchen dieses Beispiel auf die heutigen Gegebenheiten auszuweiten, wo Geld, regulierte Preise, Steuern und Zölle, Gewerbeberechtigungen, Rechtsformen mit den ihnen eigenen Finanzierungs- und Größenvorteilen etc. relevant sind, sehen wir, dass es wohl nicht mehr „der Produzent“ oder „das Land“ ist, der/das einen Vorteil erzielt. Es sind vielmehr bestimmte Institutionen und deren Vertreter (Banken, Ämter, Regulatoren, Aktionäre etc.), welche aufgrund der Tatsache, dass sie in jeweils kleinen Bereichen der heute so übermäßig komplizierten Wirtschaftswelt die Rolle eines Metá-Spielers einnehmen, sich selbst einen Vorteil verschaffen. Da es sich bei unserem heutigen Geldsystem aber um ein Nullsummenspiel handelt (ein anderer erhält von mit nur dann einen bestimmten Geldbetrag, wenn ich diesen Betrag auch exakt bezahle, d.h. die Zu- und Abflüsse ergeben in der Summe jeweils genau Null), werden diese Vorteile jedoch zu Lasten der anderen Spieler erzielt. Wir erkennen David Ricardos Beispiel, das heute noch so vorgetragen und gelehrt wird, aus folgenden Gründen als Propaganda: die unterlegten Axiome (Landformationen als ausschließlich relevante Produktionsfaktoren, die somit nicht veränderbar sind, Tauschverhältnisse, die selbst wieder nur von den unveränderlichen Landformationen abhängen) als willkürlich und nicht hinterfragbar, somit als Dogmen. Die daraus gezogene Schlussfolgerung („Internationaler Handel ist stets ein Vorteil für alle“) ist, basierend auf dieser dogmatischen Scheinargumentation, ein bloßes Propagandainstrument und wissenschaftlich vollständig irrelevant.

In einem einfachen geldbasierten Wirtschaftssystem muss also zunächst jemand die Symbole (Geldstücke, Geldscheine) herstellen (Geldpresse, Münzanstalt). Dafür sollte eine kontrollierbare Regel existieren. Außerdem muss jemand die jeweiligen Preise bestimmen. Der heutige ökonomische Mainstream überlässt diese Aufgabe einem „Markt“, legt sich also weder fest, ob der Markt als Monopol, Oligopol oder wie auch immer ausgestaltet ist, noch wer genau diese Preise festsetzen soll, arbeitet hier also abermals mit Dogmen und nicht mit falsifizierbaren Theorien. Die Preisfestsetzung wird in einer „Black Box“ versteckt und als „Markt“ bezeichnet. Umgekehrt können wir aber sehr genau erkennen, wer bestimmt, wie die in der Wirtschaft befindlichen Güter („Wirtschaftsgüter“) finanziell bewertet werden: Dafür sind Wirtschaftsprüfer zuständig, welche die international gültigen Regeln für börsennotierte Unternehmen (International Financial Reporting Standards, IFRS) von einem kleinen, privaten Verein in London (International Accounting Standards Board, IASB) in Form eines Monopols entwickeln und verwalten lassen. Die Interessenskonflikte sind überbordend, was v.a. auch daran erkannt werden kann, dass z.B. alle in der letzten Finanzkrise durch Steuergelder „geretteten“ Banken nur wenige Wochen vor dem finanziellen Bankrott noch uneingeschräkt testierte (also von Wirtschaftsprüfern als „makellos“ bescheinigte!) Bilanzen legen konnten! Dazu wurde auch wissenschaftlich geforscht und publiziert (siehe etwa hier) nur die Politik und die diese steuernden beruflichen Interessensverbände nahmen und nehmen diese Fakten nach wie vor nicht zur Kenntnis.

Vom „Ende des Geldes“ zum „Ende der Banken“

In diesem Kontext ist eine Publikation höchst interessant, die im englischen Original 2014, in der deutschen Übersetzung hingegen im Februar 2018 erschien: „Das Ende der Banken“ von Jonathan McMillan. An diesem sehr empfehlenswerten Buch sind, v.a. für mich als Autor des Werks „Das Ende des Geldes“, mehrere Aspekte sehr interessant. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich beim Autorennamen um eine Pseudonym handelt. Das Buch wurde von zwei Autoren geschrieben, dem Ökonomen Dr. Jürg Müller, Wirtschaftsredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“ sowie seinem ehemaligen Studienkollegen, einem in New York, London und Zürich tätigen Banker, der lieber anonym bleibt, weshalb von beiden dieses Pseudonym gewählt wurde. Wenn wir uns nun betrachten, was genau es ist, das laut dem Untertitel ihrer Meinung nach „nicht mehr gebraucht“ würde, so ist es „Banking“, von den Autoren definiert als „Geldschöpfung aus Kredit“. Damit beschreiben sie exakt das, was auch ich in meinem Werk „Das Ende des Geldes“ als „abschaffenswert“ bezeichnete: verzinstes Schuldgeld, Geld, das schon bei seiner Schöpfung als „Schuld“ (exakt: Gegenbuchung ins Fremdkapital der Bank) entsteht. Die einfache, logische Alternative ist „positive money“, Geld, das einen positiven Eigenwert schon bei seiner Schöpfung besitzt. Das einzige, heute als „positiv werthaltig“ beschriebene „Geld“ stellt Gold dar, ein Edelmetall, das jedoch seinen positiven Wert, unter dem Dogma von „Angebot und Nachfrage“, wiederum nur seiner Knappheit verdankt und damit selbst wieder dem Mangeldiktat untersteht. Auch seine Weitergabe als Zahlungsmittel bleibt nach wie vor ein Nullsummenspiel (die Goldstücke, die ich weitergebe, sind jene, die mir danach fehlen). Täuschung, Lüge, akademisch verbrämt die „Informationsasymmetrie“, werden in diesem System auch in Zukunft die zentralen Bausteine unserer Gesellschaft sein und bleiben.

DAS ENDE DER BANKEN – ENGLISCHE WEBSEITE PDF ZUM BUCH: DAS ENDE DES GELDES

Wie sieht nun der Gegenentwurf von „Jonathan McMillan“ aus? Eine Trennung in (positives) Geld, das „durch die öffentliche Hand geschöpft“ wird und einem „Kredit“, der als tatsächliches Darlehen, d.h. die Weitergabe bereits zuvor exisitierender Zahlungsmittel funktioniert und ausschließlich vom „privaten Markt“ geregelt wird. Damit verbleiben auch diese beiden Autoren in der Marktillusion, der Vorstellung, dass in einem Nullsummenspiel jemals Transparenz und Ehrlichkeit die zentralen Steuerungselemente sein könnten.

Ebenfalls sehr interessant ist es, bei diesem Buch festzustellen, dass der rechtliche Aspekt (die nicht vorhandene gesetzliche Grundlage der privaten „Kreditgeldschöpfung“ durch die heutigen Geschäftsbanken, die bilanziell korrekte Interpretation des Kredits als Schuldscheintausch und nicht als Darlehen, der Verstoß der Kryptowährungen gegen § 1 Abs. 1 des EuroG, wonach nur „auf Euro lautende Münzen und Geldscheine“ gesetzliche Zahlungsmittel sein könne) im gesamten Werk vollständig ausgeblendet werden. Es entsteht der Eindruck, als wären gesetzliche Regelungen völlig irrelevant, als wäre alles, das dem Dogma des „Marktes“ und der „Angebots- und Nachfrageregel“ entspricht automatisch auch schon legal und von einer unsichtbaren Mehrheit rechtsgültig beschlossen.

Wir sehen also, dass auch diese beiden Autoren noch „in den alten Bahnen denken“, sie den „Wirtschaftswissenschaften“ und dem „freien Markt“ Problemlösungskompetenz zutrauen, für welche diese geistigen Konstruktionen, historisch betrachtet, niemals geschaffen wurden. Seit den Anfängen der menschlichen Zivilisation, seit die „schweigende Mehrheit“ von einer „wissenden Minderheit“, gleich ob als Gottkönig, Priester, Technokrat oder Medienverantwortlicher, gesteuert wurde, existieren zwei grundlegend verschiedene Arten des „Wissens“: das „Herrschaftswissen“ und das „Sklavenwissen“. Während es sich beim Sklavenwissen nur um jene Glaubenssätze handelt, welche die Masse ruhigstellt und „in geregelten Bahnen“ funktionieren lässt, besteht das Herrschaftswissen aus jenen Techniken und Methoden, welche der herrschenden Minderheit diesen Machterhalt garantiert. Es ist extrem wichtig, dass das Sklavenwissen dogmatisch (d.h. in Form einer Beschulung) vermittelt und inhaltlich nicht hinterfragt wird. Jedes Wissen und jede Fähigkeit, die das Herrschaftswissen in Frage stellt bedroht, aus Sicht der Herrschenden jedenfalls, potentiell deren Machterhalt und muss daher tunlichst unterdrückt werden. Diese, auf einer in der gesamten Bevölkerung bestehenden Informationsasymmetrie beruhende, Herrschaftsform wurde durch die umfassende Einführung des Internets ernsthaft bedroht. Plötzlich waren autonome Gruppen möglich, die für sich selbst neue Glaubenssätze installieren konnten (egal ob religiös, politisch/ideologisch oder einfach auch technologisch, d.h. basierend auf praktisch anwendbaren Methoden und Verfahren) und dadurch die offiziell installierten Dogmen untergruben. Der defensive Kampfbegriff „Verschwörungstheorie“ beschreibt sehr anschaulich die Verzweiflung, mit welcher diese dogmatischen Eliten ihre empirisch nicht überprüfbaren und keiner wissenschaftlichen Methode standhaltenden Herrschaftsprinzipien offensichtlich verteidigen zu müssen glauben.

Conclusio

In der nun vor uns liegenden Phase der gesellschaftlichen Transformation wird es daher entscheidend sein, Vertrauen aufzubauen, zwischen jenen, die im Glauben „etwas zu verlieren“ (Geld, Macht, Status oder ähnliche „historische Besitzstände“) neue Gräben ziehen und Mauern errichten und jenen, die als Vertreter einer neuen Idee von Wissenschaft die freie Kommunikation (ehrlich, offen, verletzlich und lernfähig) zur neuen, gesellschaftlichen Spielregel erheben. Die auf den Techniken der Kommunikation aufbauende Systemische Gesellschaftswissenschaft ist die Metá-Wissenschaft von Ökonomie, Recht, Politologie und Pädagogik. In allen diesen Fachbereichen steht nämlich immer menschliche Kommunikation im Zentrum. Sie wird jedoch eingeschränkt, deformiert, verzerrt und unterdrückt durch die jeweiligen, teils jahrhundertealten Dogmen, die, als Strategie des Machterhalts, historisch in diese geistigen Konstruktionen implantiert wurden. Diese Dogmen emotionsfrei zu dekonstruieren, ihre historischen Absichten zu erkennen, die heutigen wahren Motive offen zu legen und in freiem, ehrlichen Dialog neue Win-Win-Situationen für alle bewussten Wesen zu ermöglichen – dies ist das Ziel der Systemischen Gesellschaftswissenschaft, ein Ziel, das mit den dogmatisch verformten Teilwissenschaften Ökonomie, Recht, Politologie und Pädagogik keinesfalls erreicht werden kann.

Ich lade alle freien, forschenden und kooperationswilligen Geister ein, mich auf diesem spannenden und herausfordernden Weg zu begleiten!

Mit herzlichen Grüßen
Franz Hörmann

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Franz HörmannFranz Hörmann, geboren 1960, Univ.-Prof. Mag. Dr.

Seit 1983 am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der Wirtschaftsuniversität Wien beschäftigt und seit 1997 gewerblich befugter Unternehmensberater.

  • 1995-2015: korrespondierendes Mitglied des Fachsenats für Datenverarbeitung der österreichischen Kammer der Wirtschaftstreuhänder und
  • 2001-2010: Gastprofessor am Institut für Wirtschaftsinformatik (Communications Engineering) der Universität Linz
  • 2001-2010: Lektor an der FHW (Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien).
  • 2001-2015: Prüfungskommissär im Rahmen der Wirtschaftsprüfer-Ausbildung der österreichischen Kammer der Wirtschaftstreuhänder

Trat mit dem Werk “Das Ende des Geldes” im Jahr 2011 erstmals als Kritiker des verzinsten Schuldgeldes in die Öffentlichkeit, entwickelte die neue Geldform “Informationsgeld” und bringt sie mit der OSBEEE eG als OSBEEE:Money auf den Markt.
Mitbegründer des “Interdisciplinary Research Institute for Systemic Sciences” (IRISS).
Franz Hörmann ist verheiratet und Vater zweier Kinder (Tochter Sophie, geb. 1996; Sohn Leonhard, geb. 1999).

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