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Scholé-Nachrichten Januar 2021

Schole-Titelbild

Letzte Woche war ich zu einem 90-minütigen Zoom-Treffen eingeladen

das ein Professor der Pädagogischen Hochschule Linz veranstaltet hat. Es ging bei diesem Philosophicum um das Thema “Homeschooling oder Lernen”. Eine verzweifelte Mutter schilderte ihren Alltag mit einem Baby, einem Kleinkind und einem aufgeweckten Schulanfänger, der sich für alles mehr interessiert als dafür, langweilige Schulaufträge unter mütterlicher Aufsicht zu erfüllen.

Ein Fall, der für Zehntausende ähnliche Fälle steht: Die Lehrerin gibt den Druck, den die Schulbehörde auf sie ausübt, 1:1 weiter. Sie macht der Mutter Angst, ihr Kind könnte das Klassenziel nicht erreichen, worauf die Mutter das Kind unter Druck setzt, das sich verzweifelt gegen den Zwang zum Lernen wehrt. Gehirngerechtes Lernen ist unter solchen Voraussetzungen tatsächlich unmöglich, das Verhalten des Kindes ist also durchaus gerechtfertigt. Das spürt die Mutter auch, doch stärker als ihr natürlicher Drang, konsequent zu ihrem Kind zu stehen, ist ihre eigene Angst, den Anforderungen des Systems nicht zu entsprechen. So wird sie gegen ihren Willen zur Mittäterin…

Wir alle haben solche und ähnliche Szenen x-mal erlebt. Dahinter steht ein Bildungsbegriff, der eng verwandt ist mit Begriffen wie Bühnenbildner, Maskenbildner, Marionetten-Bildner, also auf künstlicher Steuerung beruht: Aus lebendigen Kindern macht er allmählich Sprechpuppen, die nachplappern, was ihnen das als Lehrplan bezeichnete Drehbuch vorgibt. Statt herumzulaufen, miteinander zu spielen und neugierig die Welt zu erkunden, müssen sie stillsitzen, an langweiligen Texten Lesen lernen, Ziffern und Buchstaben malen oder am Computer anklicken. Ihr Heimweh, ihre Bewegungslust, ihre eigenen Interessen müssen sie folglich systematisch unterdrücken. Weil sie den Schmerz darüber nicht aushalten würden, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als ihre wahren Gefühle zu verdrängen. Sie sehen zwar immer noch aus wie Menschen, aber sie agieren wie Marionetten. Denn ob etwas stimmt oder nicht, ob es förderlich, neutral oder schädlich für ihn ist, kann jeder Einzelne nur über sein lebendiges Gefühl herausfinden. Hat er sich einmal davon abgeschnitten, wird er zum willenlosen Werkzeug. Er braucht nun Führung – eine Autorität, die ihm sagt, was er (wie alle anderen auch) glauben, tun oder lassen soll.

Selbstbestimmte Menschen treten für einen völlig anderen, auf künstliche Steuerung verzichtenden Bildungsbegriff ein, der mit Worten wie Gebirgsbildung, Blütenbildung oder Fruchtbildung verwandt ist. Er bezeichnet ein natürliches Geschehen, das sich, statt nach einem vorgegebenen Plan, nach seiner eigenen Gesetzmäßigkeit entwickelt. Natürlich muss auch der natürliche Bildungsprozess von Erwachsenen begleitet werden, aber sein Antrieb kommt von innen, aus dem lebendigen Gefühl, das jeden einzelnen Menschen auf seinen individuellen Weg leitet und vor Manipulation bewahrt. In Werbebroschüren für Bildungseinrichtungen wird mit Begriffen wie Individualisierung oder Potenzialentfaltung gerne der naturgemäße Bildungsbegriff beschworen, denn Werbung richtet sich ja an das Gefühl. Ein Wust an Gesetzen und Verordnungen sorgt allerdings dafür, dass sich die Lehrer im Schulalltag dann meist doch wieder am Marionetten-Begriff zu orientieren haben.

Deshalb glaube ich, dass wir die beiden Bildungsbegriffe in der Theorie endlich präzise unterscheiden müssen, auch wenn sie in der Praxis kaum in Reinform, sondern in wechselnden Mischungsverhältnissen vorkommen. Wo die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Ausbildung nach Lehrplan und freier Potenzialentfaltung fehlt, dort laufen Bildungsdiskussionen nämlich im Kreis. Und das führt erfahrungsgemäß dazu, dass am Ende alle frustriert sind und erst recht wieder der Ruf nach neuen Gesetzen, weiteren Schulfächern, noch mehr Geld, noch mehr Kontrolle erschallt, obwohl sich im undurchdringlichen Dickicht amtlicher Vorschriften schon längst niemand mehr auskennt.

Vor allem aber ist es höchste Zeit für eine Umkehr der Aufmerksamkeit um 180 Grad: vom Problemdenken zum lösungsorientierten Denken. Es gibt so viele Positivbeispiele, – im Regelschulwesen, in Privatschulen, unter Homeschoolern und Freilernern – die es wert wären, vor den Vorhang gebeten zu werden! Sie regen die Phantasie an und machen Mut zur Vielfalt. Ich wünsche mir Diskussionsrunden, in denen jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer ein konkretes konstruktives Beispiel vorstellt und im Detail beschreibt, was ihr oder ihm dabei besonderen Eindruck gemacht hat. Die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der vorgestellten Projekte könnten dann Gegenstand eines regen Meinungsaustausches sein, aus dem sich jede/r etwas mitnimmt.

Bei dem Philosophicum habe ich letzte Woche versucht, die Diskussion auf positive Beispiele zu lenken, doch der Leidensdruck, den das erzwungene Homeschooling derzeit bei Lehrern, Eltern und Kindern erzeugt, war zu groß. Die anwesenden Pädagogen und Elternvertreter mussten ihrem Frust Luft machen. Erstmals hatte ich jedoch den Eindruck, dass der strukturelle, systemische Aspekt der Probleme in den Vordergrund rückt: Mehr und mehr Menschen fangen an zu verstehen, dass dort der Hund begraben liegt. Das ist die erwünschte Nebenwirkung der Dramen, die wir derzeit erleben: Schmerz und Wut tragen zum Erwachen bei.

Dass leider immer noch die Mehrheit aller Menschen von ihrem lebendigen Gefühl abgeschnitten ist, zeigt sich in Corona-Zeiten freilich besonders deutlich. Obwohl wir nie da gewesene Informationsmöglichkeiten haben, ist die Komplexität der medizinischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte dieser Krise über den Verstand allein nicht zu erfassen. Auch für die klügsten Köpfe nicht. Ob in Krisenzeiten jemand Mitläufer oder Dissident wird, war allerdings niemals eine Frage der Intelligenz, sondern immer eine Frage des Charakters und der Gefühlstiefe. Doch wie viele Menschen sind mutig genug oder überhaupt noch fähig, auf ihr Herz zu hören?

Was soll man dazu sagen, wenn Journalisten, die sich mit dem Aufstieg und Fall von Diktaturen beschäftigt haben (ja vielleicht sogar mit der dank Wikileaks aufgedeckten Verschwörung, durch die 2003 der Irakkrieg vom Zaun gebrochen wurde) nicht davor zurückschrecken, kleine Kinder als Gefährder alter Menschen hinzustellen, wenn sie ihre Oma umarmen?! Wer es jedoch wagt, milliardenschwere Pharma-Konzerne, die unzureichend erforschte Impfstoffe an betagten Menschen testen, als Gefährder zu bezeichnen, bekommt von denselben Journalisten sogleich den Stempel Verschwörungstheoretiker aufgedrückt. Und die Masse der Leser, Hörer und Seher schließt sich brav der Sicht der Leitmedien an – daher kommt wahrscheinlich der Begriff “Leit-Medien” :-))

Für Leute, die lieber kleinen Kindern oder ihren nächsten Freunden und Verwandten misstrauen, als die guten Absichten der Mächtigen in Frage zu stellen, habe ich in den bösen alternativen Medien neulich den schönen Begriff VERSCHWÖRUNGSLEUGNER entdeckt :-)

Sicher ist auch die alternative Medienszene mit Vorsicht zu genießen, vor allem deshalb, weil sie ein Tummelplatz der Geheimdienste ist. Dank nahezu unbegrenzter finanzieller und sonstiger Ressourcen ist es für diesen unsichtbaren Machtapparat ein Leichtes, jede Menge oft gutgläubiger Leute zu rekrutieren: Durch gezielt eingeschleuste Halbwahrheiten oder Fake News sollen sie Verwirrung stiften und die Betreiber alternativer Kanäle diskreditieren. Auch da kann man nur seinem Gefühl vertrauen. Ich bin jedenfalls froh und dankbar, dass es diese freien Internet-Medien gibt. Für mich sind sie eine Art Gegengift zur öffentlich-rechtlichen Panikmache. Im Übermaß konsumiert, können sie natürlich erst recht wieder Ängste schüren und entmutigen. Deshalb sollte man beim Hören und Sehen alternativer Nachrichten nicht stehenbleiben.

Zu meiner großen Freude bildete sich über das Teilen von Links und persönlichen Kommentaren in den vergangenen Monaten eine tatsächlich weltumspannende Community von Weltbürgerinnen und lokalen Aktivisten, die der beherzte Widerstand gegen menschenverachtende Maßnahmen eng zusammengeschweißt hat. Was sie verbindet, ist ihre Entschlossenheit, in der globalen Auseinandersetzung zwischen Fremdbestimmung und Selbstbestimmung, die wir gerade miterleben, nicht nur Hintergrundinformationen zu beschaffen oder zu verbreiten, sondern auch persönlich ihr Bestes zu geben: Obwohl sie ständig mit Verleumdungen, Desinformations-Kampagnen, Polizeischikanen und Zensur konfrontiert sind, wollen diese Dissidenten den Kreislauf von Hass und Gewalt auf keinen Fall fortsetzen.

Sie wollen sich auch nicht länger in Rechte und Linke, Gläubige und Konfessionslose, Alte und Junge, Gebildete und Ungebildete spalten lassen. Sie bemühen sich, auf Verleumdungen nicht mit Wut zu reagieren, Angriffe mit friedlichen Mitteln abzuwehren, Konfrontation durch Meditation zu ersetzen, auf die Stimme ihres Gewissens statt auf Sicherheitsversprechen zu vertrauen. Sie verzichten darauf, hohle Phrasen zu dreschen und argumentieren lieber mit handfesten Zahlen und Fakten. Inmitten der Krise wollen sie sich dennoch auf das Positive konzentrieren und jede Gelegenheit nutzen, zu ihrem eigenen Wohlbefinden und dem anderer Lebewesen etwas beizutragen. Immer gelingt ihnen das natürlich nicht, denn es sind ja Menschen wie du und ich :-)

Aber die selbstlosen Aktionen der ersten mutigen Dissidenten haben einen Sog entstehen lassen, der immer mehr Gleichgesinnte anzieht und sie über Ängste und Sorge hinauswachsen lässt. Gestärkt durch das Gefühl, nicht allein zu sein, krempeln nun auch sie die Ärmel hoch, vertrauen auf den Sieg des Guten und feiern das Leben in seiner bunten Vielfalt. Eine kritisch denkende alte Dame hat gestern am Telefon zu mir gesagt: “Überall erleben wir gerade so viel Leid und Depressionen, da ist man doch fast schon verpflichtet, fröhlich zu sein!”

Dass wir die Turbulenzen des Jahres 2021 gestärkt und fröhlich überstehen mögen, das wünsche ich uns allen von Herzen!

Alexandra

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